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Meinungsfreiheit in der TürkeiBei Witzen über Religion droht Knast

Ein bekannter Karikaturist steht jetzt vor Gericht - wegen der satirischen Zeichnung einer Moschee. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr Haft.

"Lieber Gott, darf ich die letzte Gebetsrunde auslassen? Ich habe dringend etwas zu erledigen...Vielen Dank mein Gott! Schönen Tag..." Diese Karikatur könnte dem Verfasser ein Jahr Knast einbringen. Bild: archiv

ISTANBUL taz | Wer sich in der Türkei einen Witz über Religion erlaubt, hat nichts zu lachen. Gestern begann ein Prozess gegen Bahadir Baruter, einen der bekanntesten Karikaturisten des Landes. Er hatte in einer Zeichnung für das Satiremagazin eine Szene in einer Moschee dargestellt. Ein Gläubiger bittet Gott per Handy, ihn vorzeitig gehen zu lassen, weil er noch so viel Arbeit habe. An einer Säule der Moschee ist klein der Spruch "Es gibt keinen Gott, und die Religion ist eine Lüge" eingraviert. Penguen

Die Beschäftigten im Ministerium für Religiöse Angelegenheiten nahmen diese Karikatur zum Anlass, um den Zeichner wegen Beleidigung religiöser Werte anzuzeigen, und die Staatsanwaltschaft in Istanbul fabrizierte daraus prompt eine Anzeige. Sie fordert ein Jahr Gefängnis.

Dass Bahadir Baruter vor Gericht steht, ist kein Zufall. Er ist als säkularer, westlich orientierter Intellektueller den religiösen Konservativen der AKP schon lange ein Dorn im Auge. 2010 erregte ein von ihm entworfenes Kartenspiel, in dem die Osmanen veralbert wurden, Aufsehen. Kürzlich griff ihn ein Kolumnist der regierungsnahen Zeitung Milli Gazete an und nannte ihn in Anspielung auf die Karikaturenaffäre in Dänemark den "Dänen unter uns", der die religiösen Bürger und neuen Herren im Land verhöhne.

Bahadir Baruter arbeitet seit 1990 als professioneller Zeichner. Er hat mehrere Satirezeitschriften mitgegründet - zuletzt das Magazin Penguen, in dem er regelmäßig eine Seite zeichnet. Vor Baruter sind schon mehrfach Karikaturisten angeklagt und verurteilt worden, insbesondere dann, wenn sie sich über Ministerpräsident Tayyip Erdogan lustig machten.

Doch auch Wort- und Fernsehjournalisten, die kritisch über die Regierung berichten, haben in der Türkei schon länger ein Problem. Nachdem die Regierung den größten oppositionellen Medienkonzern Dogan Holding durch drakonische Steuerstrafen mehr oder weniger mundtot gemacht hat, üben sich andere Medien in vorauseilender Selbstzensur.

Am auffallendsten war das im bislang besten unabhängigen TV-Nachrichtenkanal NTV. Nach dem Wahlsieg der AKP im Juni begann NTV, seine Sendestruktur umzukrempeln. Dabei fielen all jene Formate, die von prominenten regierungskritischen Journalisten geleitet wurden, der Umstrukturierung zu Opfer.

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28 Kommentare

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  • TY
    Turan Yildirim

    Karikaturen haben in der Türkei eine lange Tradition.Wöchentlich erscheinende Magazine wie das im Artikel erwähnte Penguen, oder aber auch Leman, Firt und Girgir halten teilweise schon seit Jahrzehnten den türkischen Politikern und auch den engstirnigen, erzkonservativen religiösen Bürgern den kritischen Spiegel vor die Nase, und bis auf direkte Kritik oder Anspielungen auf Mohammed war bisher so gut wie alles erlaubt. Aber seit der Machtübernahme durch den humorfreien Erdogan und seine Schergen gibt es immer mehr Repressalien gegen Karikaturisten und Andersdenkende und Kritiker. Ironischerweise hat aber gerade die AKP auch in vielen Bereichen für eine Liberalisierung und Demokratisierung gesorgt, aber in vielen Bereichen zeigt sich nun, dass die AKP absolut keinen Spaß versteht und ihre Anhänger den überwiegend säkular eingestellten übrigen Bürgern ihren Willen aufzuzwängen versuchen. Sie sollten bedenken, dass nicht jeder AKP-Wähler automatisch konservativ und religiös ist, sondern dass es einfach keine wählbare Alternative gab und sich die Opposition erst allmählich wieder zusammenrappelt und ein Programm aufstellt, das sie auch für potenzielle Wähler interessant macht. Die Mehrheit der Bürger wird sich dies alles langfristig sicher nicht gefallen lassen und bei weiteren Repressalien in Zukunft ihre Stimme wieder einer anderen Partei geben.

  • J
    job

    Kennen Sie das deutsche Strafgesetzbuch, lieber Herr Gottschlich?

    § 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

    (1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

  • BZ
    Bülent Zünbüldere

    Die AKP Regierung muss aufpassen.Wenn Sie uns Türken tatsächlich in eine Islam Regierung zwingen will wird es in der Türkei einen Bürgerkrieg geben.Die sind nicht gewählt worden um Religion durchzusetzen sondern um den wirtschaftlichen Erfolg weiter zu betreiben.

  • M
    migrant

    @ Thomas Sch.

     

    wir leben und arbeiten in deutschland! deutschland ist das heimatland von millionen migranten.

    was hat die türkei mit uns zu tun. warum werden wir (z.b. muslime) für fehltritte der türkei haftbar gemacht?

    halten sie einfach die klappe! okey?!

  • ZD
    Zerschlagt die Islamische Republik BRD

    Doof, daß nur 10% "Christen" ihren Glauben praktizieren. Da sind Muslims in der Mehrheit, haha. Aber was machen wir dann, wenn Palästina sein Land zurückbekommt und Israel dann dort entsteht, wo es hin gehört: Auf deutschen Boden?

  • C
    Charlene

    Wie war das gleich? Die Türkei ist ein laizistischer Staat?

  • F
    Frage

    Ein laizistischer Staat mit einem Ministerium für Religion?

     

    Wie geht das denn?

  • S
    Satire

    Wenn Sarrazin und Konsorten schlau wären, dann würden sie die Ausweisung Grauer Wölfe fordern. Wetten, da kommen ein paar Hunderttausend zusammen? Aber bitte erst, nachdem es zu Krieg im Mittelmeer gekommen ist - erhöht die Chancen der Gegner. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung beängstigend, daß die alle hier freidrehen.

    Solange bleibt der alte Kreuzberger Witz bestehen: Wo leben mehr Nazis: In Kreuzberg oder in ganz Ostberlin?

  • TS
    Thomas Sch.

    Nanu, wo sind denn die ganzen Kommentatoren, die sonst an dieser Stelle immer ganz schnell die armen, benachteiligten, schützenwerten, uns bereichernden Migranten unterstützen ? Alle im Urlaub in der Türkei ? Alle in der Kirche ? In der Moschee ? Wenn ich mir jetzt vorstelle, daß ein türkischer Zeichner in der Titanic ein Ätzbild über das Christentum gemacht hätte und dann von der Staatsanwaltschaft (!) dafür angeklagt worden wäre, würden doch alle vor der Auferstehung des Nazitums warnen. Oder ? Lieg ich da richtig mit meiner Einschätzung ? Na, lieber Zensor. Ist Ihnen das Eisen nicht zu heiß ? Na, da merkt doch auch der letzte Linke, daß die Türkei was falschmacht.

  • A
    Anonym

    Wenigstens ist die Türkei ein Sekulärer Staat da hält kein Islamischer Prädiger reden im Parlament wie der Papst in der BRD

  • CK
    Cem karakas

    Was hat das denn mit Meinungsfreiheit zutun? Es gibt in der Türkei 100 tausende atheisten die sich auch als atheisten geben und auch geben dürfen..das ist Meinungsfreiheit aber das hier ist nur hetze.. Unruhe stiftung.. Medien und die Presse müssen und sollten von Volkshetzungen und Glaubenswitzen/beleidigungen fern bleiben!!

  • T
    Thanthalas

    Was es in der Türkei doch so alles an Toleranz gibt...

  • H
    Hatem

    Die Türkei auf dem Weg in den islamischen Gottesstaat.

  • L
    Leidkultur

    Also ich find, dass die Türkei echt reif für den EU Beitritt ist...

  • R
    ralog

    Es ist wahr, in der Türkei gibt es Meinungsfreiheit nur solange es die Meinung der Regierung ist. Leider ist Erdogan nicht ein so lupenreiner Demokrat wie er allen weiss machen will. Ganz im Gegenteil, er ist ein Fundamentalist! Ich bin selner Türke, ich schäme mich dafür das in meinem Land Pressefreiheit und Meinungsfreiheit noch nicht Einzug gehalten hat.

    Mein Volk ist einfach noch nicht soweit. Schade und traurig drum.

  • V
    vantast

    Auch hier muß man vorsichtig sein. Eine zu scharfe Kritik an den Menschen- und Völkerrechtsverletzungen der Israelis, und schon hat man eine Anklage wegen Volksverhetzung oder so am Hals. Und sei es nur als Schere im Kopf.

  • S
    siegfried

    Menschen wie Herr Baruter sind die Mutigen dieser Welt. Der Keim der Freiheit hat überall auf der Welt seinen Nährboden, bis das Gift der Verbohrten ihre Sprühvernichtungsaktionen starten. Und was machen die meisten von uns? Sie schauen untätig zu, weil sie ihren Frieden haben wollen. Doch den gibt es auf der Welt nicht wirklich. Tatsache ist: Wer sein Leben nicht selbstbestimmt, der wird von anderen fremdbestimmt!

    Oder noch anders gesagt: Wer sich nicht bewegt, spürt seine Ketten nicht!

    Ich würde mir in unserem Land mehr solche mutigen Türken wie Herrn Baruter wünschen. Was wäre das für Deutschland und seine türkischen Bürger ein Segen.

  • Y
    Yadgar

    Man fühlt sich an Bayern erinnert: der Weg zu Demokratie und Rechtsstaat ist religionsbedingt lang und steinig. Und, sorry, wer Linken andichtet, solche Verhältnisse gutzuheißen oder gar zu verteidigen (von wegen "proislamische Linke"), hat wirklich ein Problem mit seinem Realitätsbezug...

  • LW
    Lukas Wagenmacher

    Und hier in Deutschland regt sich niemand drüber auf dass die türkische Religionsbehörde in deutsche Moscheen und vielleicht demnächst in den Islamunterricht involviert ist und somit auf deutsche Staatsbürger Einfluss nimmt. Das wäre ja fast so als würde GoldmanSachs den Wirtschaftsunterricht ausrichten!

     

    Religion ist und bleibt Opium fürs Volk, ob sie nun christlich, jüdisch oder islamisch ist.

  • A
    Attila

    Nachdem bei NTV unbequeme Journalisten gegangen (worden) sind, hat die Dogus-Gruppe, zu dem auch dieser Sender gehört, eine staatliche Ausschreibung gewonnen. Das war davor schwierig. Auch wurde vor einigen Tagen eine Universitatsdozentin bei der Dogus-Uni aufgeworfen, da sie sich öffentlich beschwert hat, die Namen der Täter des Massaker von Sivas könne doch nicht auf der Gedenktafel neben den OpferNamen stehen. 2 Täter waren bei dem Brandanschlag auch ums Leben gekommen.

  • M
    Mark

    Naja, immerhin nur Gefängnisstrafe. In der Islamistischen Republik Iran soll ein Christ wegen seines Christseins gehängt werden. Aber das gehört wohl zu deren vielfältigen Kultur, nicht war Frau Maria Böhmer (CDU)?

     

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,789062,00.html

  • A
    Artobanes

    Warum eigentlich die ganze Aufregung? Der Mann hat die Verbindung nicht mit Allah, Gott sei Dankt!, sondern mit Tanri (Tengri) also mit der Gottheit der "Turkvölker" in Zentralasien. Was geht eigentlich die zornigen Muslimen an?

  • T
    Thomas

    Ach, ist es der Rundfunk in der Türkei auch so sinnentleert und gleichgeschaltet wie hierzulande?

     

    Wobei es hier ja in die entgegengesetzte Richtung läuft mit der Religion: Der Papst darf bei seinem Besuch alles sagen, das interessiert hier in Deutschland ohnehin immer weniger Menschen. Aber wehe, die gleichen Worte hätte ein Imam gesagt - dann hätten unsere von der GEZ gezahlten Prediger mal wieder einen bösen Islamisten aus ihm gemacht. Und ein Großteil hätte unseren Hasspredigern das auch noch geglaubt.

    Deutschland kennt keine Muslime mehr - nur noch Islamisten in jeder Moschee -, keine Meinungsfreiheit - aber viele potentielle Terroristen hinter jedem Busch.

     

    Darf ein Türke sich Witze über all die CDU-christliche Hetze erlauben? Wirklich?

    In der Türkei steht ein Karikaturist vor Gericht. Na und? In Deutschland sollte es ein Muslim mit Allah so halten wie die CDU mit den christlichen Werten, sonst ist er ganz schnell ein Vorzeigeterrorist und Rechtfertigung für die Abschaffung der restlichen Grundrechte.

     

    Soo schlimm kann also der Prozess in der Türkei gar nicht sein wie die Zustände hierzulande.

  • D
    dielendieb

    Liebe Mitgläubige,

    wir haben großartige Neuigkeiten für Euch. Um die herausragende Bedeutung und Neuausrichtung des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten hervorzuheben, hat der Große Bruder wie angekündigt dessen Umbenennung in "Ministerium für Liebe" (Neusprech: Minilieb) veranlasst.

  • L
    LuiseW

    Am Beispiel der Türkei kann man über die letzten Jahre hinweg beobachten, wie geschickt der traditionelle Islam langsam Schritt für Schritt die Macht erobert. Wirklich interessant und besorgniserregend.

    Interessant für Deutschland ist es auch und wird es in Zukunft zunehmend sein.

     

    Siehe dazu: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) kritisiert worden. Merkel ehre den Karikaturisten, der "unseren Propheten in unseren Augen mit Füßen getreten hat und uns alle Muslime eigentlich mit Füßen getreten hat", sagte ZMD-Generalsekretär Aiman Mazyek.

     

    Die Redewendung „alle Muslime“ ist unzutreffend, da ich mit etlichen befreundet bin, die keinerlei Problem mit den Karikaturen haben und sich durch den ZDM nicht vertreten fühlen. Nur leider haben sie niemanden, der für sie als säkulare Muslime spricht.

    Eine Lobby haben hier anscheinend nur die nicht säkular lebenden Muslime, da vor allem sie daran interessiert sind, die Lebensumstände in Deutschland zu ihren Gunsten zu ändern und das verängstigt nicht nur mich, sonder auch meine säkular lebenden muslimischen Freunde. Schritt für Schritt ...

  • RD
    Richard Detzer

    Ein Gläubiger fragt einen Imam. "Wo bitte kann ich pinkeln?" Der Imam antwortet streng. "Geh in die Moschee!"

  • F
    Fatima

    Für diesen Fall sollte man über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachdenken. Vielleicht könnte die AKP ja dazu einen Volksentscheid einbringen. Wer den Islam lächerlich macht verdient den Tod! Ich finde es traurig das die taz, die ich eigentlich nicht als islamophob in Erinnerung habe, hier so gegen den Islam hetzt.

  • TS
    Thomas Sch.

    Eigenartig. Gar keine Kommentare, die die armen, benachteiligten Migranten in Schutz nehmen.