: Meine erste BahnCard Von Natalie Bleuel
Eigentlich ist es ja ein Anlaß zur Freude: Die Deutsche Bahn AG mausert sich zu einem multikulturellen Verein. Das Mitropa-Restaurant bietet zwar nicht plötzlich Falafel an, aber unsere Bahn befleißigt sich neuerdings einer gänzlich undeutschen Sitte: Es wird nach Lust und Laune um die Preise gefeilscht, es geht zu wie auf einem arabischen Basar. Ich wollte neulich ein Ticket München–Berlin –Hamburg, hin und zurück, das ganze zum billigsten Preis.
Der Mann hinter der Glaswand am Fahrkartenschalter in München bietet mir die Fahrt zum Superspartarif plus Aufschlag für den Umweg über Berlin. Macht 334 Mark. Er tippt dann 20 Minuten auf seinem Computer herum und offeriert mir die BahnCard für 220 Mark, durch die die Fahrt nur noch 234 Mark kosten würde. Um mich zum Kauf meiner ersten BahnCard durchzuringen, brauche ich allerdings Bedenkzeit.
Nächster Tag: gleicher Ort, gleiche Zeit, aber ein anderer Mann hinter Glas. Der scheint nicht gut draufzusein. Er tippt nur zehn Minuten auf seinem Computer herum und deklariert dann einen Preis von 294 Mark für die verbilligte Fahrt mit der BahnCard. Ich erzähle ihm, daß sein Kollege es für 60 Mark billiger gemacht hätte. Daraufhin dringt durchs Glas die knappe Antwort: Da hätte ich doch lieber sofort bei seinem Kollegen kaufen sollen. Mir dämmert, wie der Hase läuft.
Nächster Tag: Glück gehabt – eine gutgelaunte Frau hinter Glas nimmt sich eine Dreiviertelstunde Zeit für mich. Sie bietet den absoluten Dumpingpreis von 214 Mark. Bei dem Angebot muß ich einfach zuschlagen. Von da an klappt alles wie am Schnürchen, und ich schlage mir hin und wieder stolz auf die Brust, daß ich so ein tolles Schnäppchen gemacht habe.
Irrtum. Rückfahrt Berlin– München, Auftritt einer weiteren beamteten Reiseberaterin. Sie beäugt skeptisch meine Fahrscheine, und mir schwant Übles. „Sie haben die Fahrt fünf statt vier Tage unterbrochen“, moniert sie. Die Karte sei ungültig, das mache 70,50 Mark. Ich bleibe ganz stur: Mal sehen, ob sie mit sich handeln läßt. Sie bleibt jedoch ebenso stur und bedeutet mir, jetzt sei's zu spät: Am Bahnhof hätte ich das Ticket problemlos verlängern lassen können, hier im Zug gehe das nicht. Aber gleich nach meiner Ankunft in München könne ich mir die 70,50 Mark rückerstatten lassen. Jetzt wird mir klar, wozu die Glaswände gut sind: Sie sollen die verweichlichten ReiseberaterInnen vor handelnden Reisenden schützen.
Hauptbahnhof München, nächster Tag: Der nächste Reiseberater blockt erst mal ab: Die Karte sei ungültig gewesen, ich sei einen Tag zu spät gefahren – kein Geld zurück. Aber ich habe ja inzwischen dazugelernt und versuche es wieder auf die argumentative Tour. Es klappt. Ich soll meine 70,50 Mark zurückbekommen – allerdings erst in drei bis vier Wochen, denn die zentrale Rückerstattungsstelle befindet sich in Schwerin, und das ist offenbar mit komplizierten Geld- Reisezeiten verbunden.
Ich frage noch mal nach, ob das nicht schneller gehe. Das ist inzwischen zur Chefsache geworden. Und der Chef sagt: Gegen eine geringfügige Bearbeitungsgebühr von 11,62 Mark bekomme ich mein Geld sofort zurück. Aber mir ist jetzt die Lust am Handeln vergangen. Sorry: Die 11,62 Mark zahle ich nicht drauf.
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