Mein Wahlkampftagebuch: Saudische Verhältnisse im Südwesten
Die Analysen von taz-RedakteurInnen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz erscheinen täglich bis zum Wahltag am 13. März
Benno Stieber ist Ba-Wü-Korrespondent und lebt in Karlsruhe
Wenn es knapp wird, kann die Art, wie Stimmen vergeben, ausgezählt und verteilt werden, über Sieg oder Niederlage entscheiden. Oder über den Frauenanteil im Parlament.
Immer wieder gibt es deshalb Kritik am Baden-Württembergischen Wahlrecht. Badener und Württemberger haben am 13. März nur eine Stimme, die sie für den Direktkandidaten in ihrem Wahlkreis vergeben. Parteilisten gibt es nicht. Die 60 Wahlkreissieger haben ihren Landtagssitz sicher, die restlichen Sitze werden entsprechend dem Stimmenanteil ihrer Partei auf die zweitplatzierten mit dem besten Ergebnis verteilt.
Die Parteien haben nur wenig Einfluss darauf, wer Landtagskandidat wird, denn die werden im Wahlkreis von der Parteibasis nominiert. Dort schneiden Frauen meist schlecht ab. Der Frauenanteil in der auslaufenden Legislaturperiode lag im Stuttgarter Parlament gerade mal bei 20 Prozent und damit auf ungefähr demselben Niveau wie im Parlament von Saudi-Arabien. „Frauenpolitisch sind wir immer noch ein Entwicklungsland“, sagt die SPD-Abgeordnete Sabine Wölfe.
Im Jahr 2016 könnte es – je nach Ausgang der Wahl – etwas besser aussehen. Die grüne Basis nominierte immerhin in 44 Prozent der Wahlkreise Frauen, die SPD nur 25 Prozent, die CDU 21,4 Prozent.
Für die Parteien wäre es die eleganteste Lösung, künftig zumindest einen Teil der Kandidaten über Landeslisten zu wählen, wie das auch bei der Bundestagswahl der Fall ist. Das hätte zugleich den Vorteil, dass man wichtige Leute in der Partei mit einem aussichtsreichen Listenplatz absichern könnte und nicht darauf angewiesen ist, dass sich – wie etwa bei Winfried Kretschmann – ein aussichtsreicher Wahlkreis findet, der ihn aufstellt, in dem er aber gar nicht lebt.
Doch eine Wahlrechtsreform ist eine der Aufgaben aus dem Regierungsprogramm der grün-roten Regierung von 2011, die liegen geblieben ist. Und auch gar nicht notwendig, wie der Wahlrechtsexperte Philipp Behnke von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen meint. Denn der Frauenanteil müsse über eine entsprechende politische Kultur in den Parteien gestärkt werden. Das könne man an den Grünen sehen.
Der Hauptkritikpunkt des Wahlrechtsforschers liegt eher in der Stimmverteilung. Behnke sieht da in Baden-Württemberg jene Partei bevorzugt, die die meisten Direktkandidaten ins Parlament bringt. Das ist in Baden-Württemberg noch immer traditionell die CDU: Sie erhält denn auch die meisten Überhangmandate, die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktsitze hat, als ihr prozentual nach dem Wahlergebnis zustehen. Für diesen Überhang bekommen die anderen Parteien zwar sogenannte Ausgleichsmandate. Trotzdem könnte es sein, so Behnke, dass die CDU ein bis zwei Sitze mehr erhält als ihr eigentlich zustehen und zur stärksten Fraktion wird, auch wenn die Grünen landesweit die Nase vorn haben.
Schuld daran ist ein Rundungsfehler, der die ohnehin schon starke Partei bevorzugt. Der ließe sich jedoch durch eine kleine Änderung im Auszählungsmodus reparieren, so Behnke. Im Moment ist eine Wahlrechtsreform jedoch kein Thema. Das könnte sich schnell ändern, wenn der Rundungsfehler tatsächlich über Regierungsmehrheiten entscheidet, was bei den derzeit knappen Mehrheitsverhältnissen durchaus sein kann. Benno Stieber
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