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Mein Wahlkampftagebuch (2)Das Spätzla-Klischee

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Ressentiments gegen Schwaben sind reaktionär. In manchen Fällen sind sie eine knallharte Umwandlung von Neid auf Erfolg und gutes Leben.

Einfach mal hinfahren und selbst schauen, ist doch urgemütlich. Foto: dpa

E s fängt schon damit an, dass Leute immer „die Schwaben“ sagen, wenn sie Baden-Württemberger meinen. Selbst empfindliche Identitätsfanatiker, die sonst auf Differenzierung bis zehn Stellen hinter dem Geschlechterkomma insistieren. In dem Fall sagen sie: Och. Das sei doch eine Soße. Das ist, als würde man sagen: Balkan? Alles Jugoslawen. Oder Serben.

Also: Es gibt Schwaben, Badener, Württemberger, Hohenzollern, (Unter-)Franken. Es gibt die Hohenloher, die sich durch Widerstand gegen die Schwaben definieren. Es gibt Menschen, deren Vorfahren laut Ahnenpass seit 1506 aus Schwäbisch Gmünd kommen. Und Zugereiste, deren Vorfahren nicht aus Schwäbisch Gmünd kommen. Speziell Stuttgart hat eine vergleichsweise erfolgreiche Integration aller Beteiligten in eine neue Kultur hinbekommen (von den Hohenlohern mal abgesehen).

Diese Kultur besteht mitnichten aus Weckla, Bretzla, Spätzla und Maultäschla. Auch nicht aus einem fanatischen Reinigen der Trottoirs (Bürgersteige) in einem festen und niedergeschriebenen Rhythmus (Kehrwoche). Wenn überhaupt, dann kehren diejenigen leidenschaftlich, deren Ahnen vor zwei Generationen aus Italien oder der Türkei gekommen sind.

Übrigens sagen Baden-Württemberger auch nicht „schwätzen“, wenn sie reden meinen.

„Wir haben dann noch ein bissle geschwätzt.“

Anderswo lebt man ebenfalls gut

Brrr. So was sagen nur Leute, die von über der Mainlinie kommen und sich einschleimen wollen. Baden-Württemberger antworten dann allenfalls: „Schwätz net domm raus!“

Aber das ist was völlig anderes.

Die ganzen Klischees werden aber nicht nur aus Ignoranz benutzt, sondern häufig steht ein Ressentiment dahinter. Das besteht darin, dass es sich bei den Baden-Württembergern um eine kulturell, sprachlich und gesellschaftspolitisch zurückgebliebene Species handelt. Leute, die wie blöde kehren, arbeiten, Autos produzieren und verkaufen, als ob es im Leben nichts Wichtigeres gäbe als Geld. Ist ja auch bescheuert, denn anderswo lebt man ebenfalls gut. Vom Länderfinanzausgleich aus Baden-Württemberg.

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Wenn einer ausnahmsweise dezent darauf hinweist, dass Geld auch verdient werden muss, dann hassen sie die Baden-Württemberger erst recht. Wo kommen wir denn da hin, wenn erfolgreiches Wirtschaften eine Qualität sein soll? Das führt doch nur zu dem unmoralischen Turboneokapitalmaterialismus dieser besser verdienenden Spätzlesfresser. Die ja auch noch so geizig sind, dass sie das viele Geld nicht mal ausgeben. Doppelt bescheuert.

Mal hinfahren und selbst schauen?

Diese Ressentiments und dazu die Ablehnung von Flüchtlingen aus Baden-Württemberg in Berlin, gerade in sich für links haltenden Milieus (“Schwaben raus“), das ist nicht lustig, sondern in manchen Fällen knallharte Umwandlung von Neid auf Erfolg und gutes Leben.

Und es ist reaktionär.

Dass Baden-Württemberg und Städte wie Stuttgart, Freiburg, Tübingen vielleicht inzwischen die politische und gesellschaftliche Moderne in Deutschland definieren? Unmöglich! Vielleicht mal hinfahren und selbst schauen? Wozu? Der weltweit erste grüne Ministerpräsident? Lieber gar kein Fortschritt als so ein Fortschritt!

Was allerdings wirklich stimmt: Manche Baden-Württemberger sprechen kein Hochdeutsch. Aber nicht, weil sie es nicht können. Sondern, weil sie es nicht nötig haben.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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21 Kommentare

 / 
  • Leider nähert sich das Niveau der taz immer stärker dem Niveau einer Bildzeitung an. Journalistische Begleitung von Entwicklung ohne Häme, mit Neugier, ergebnisoffen und ohne Vorurteile sieht anders aus.



    Manche Artikel oder Kolumnen sind schlicht unverständlich, z.B. „Mein Wahlkampftagebuch (2), Das Spätzla-Klischee“ vom 24. Februar 2016.



    Was will Chefreporter Herr Peter Unfried uns mitteilen? Es ist nicht wirklich witzig, Baden-Württemberger, die nach Berlin gezogen sind als „Flüchtlinge“ zu bezeichnen. Sind die Baden Württemberger jetzt Wirtschaftsflüchtlinge oder sind sie vor Krieg und Verfolgung geflohen?



    Mit viel Wohlwollen könnte man mit der Aussage „Der weltweit erste grüne Ministerpräsident? Lieber gar kein Fortschritt als so ein Fortschritt!“ einen Bezug zum Wahlkampf herstellen oder spricht daraus der Neid des Chefreporters Herr Peter Unfried auf den Erfolg von



    Kretschmann?



    Im Baden-Württembergischen Sprachgebrauch gibt es übrigens weder Weckla (richtig: Weggla) noch Bretzla (richtig: Bräzl), noch Maultäschla (richtig: Mauldascha)



    Fazit: „Schwätz net domm raus!“ korrekt: „Schwäddz nedd so domm rom!“



     

     

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

  • Lassen Sie nächstes Mal einen Schwaben über Schwaben schreiben.

  • "Übrigens sagen Baden-Württemberger auch nicht „schwätzen“, wenn sie reden meinen."

     

    Oh doch, das tun sie.

  • Im Kontext der Flüchtlingsproblematik hat es Herr Unfried hervorragend verstanden, auch mal den Fokus auf eine zu unrecht gescholtene und vereinheitlichte Volksgruppe zu richten, deren Leid in dem anderer Migrationsgruppen völlig unterzugehen scheint. Wenn es mir möglich wird, in Ländern wie Syrien, Afghanistan und Eritrea mal vorbeizuschauen, werde ich( preußisch reaktionär) danach Schwäbisch Gmünd besuchen. Versprochen !

  • Schwaben? Erst dachte ich, frei nach Diedää Bohlen: "...ist doch scheißegal." Ist es aber nicht, denn Herkunft und Identität entscheiden heute, mehr denn je, über das Schicksal von Menschen. Es lebe der Unterschied? Nein! Einigkeit macht stark!

  • "...Ressentiments gegen Schwaben sind reaktionär. In manchen Fällen sind sie eine knallharte Umwandlung von Neid auf Erfolg und gutes Leben..."

     

    Bei so einer wirren Sentenz -

    Schweigt des Sängers Höflichkeit.

    Tom Prox Billy Jenkins oder - ah gern -

    Jerry Karton - lassen grüßen.

    Adorno - ah geh - der Junggäst -

    War wohl grad noch in der Penne;)

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Aua, fühl' ich mich plötzlich alt.

       

      Tom Prox & Co. waren schlimmer "Schund" und als Lektüre nur mit Taschenlampe unter der Decke möglich - bitte wieder in der Versenkung verschwinden lassen.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Na na -

         

        Heute deswegen Fielmann-Brille - wa¿!

        Aber - mit Verlaub - ich hab das doch Nicht hochgespült!

        Bin aber gern bereit -

        Nochmals kräftig abziehen!

        Ok¿!

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Brille nicht von Fielmann, dem Kettenoptiker.

  • In der Aufzählung fehlen natürlich die Oberschwaben, die keinesfalls mit den Schwaben verwechselt werden wollen, nur weil sie nach 1806 den Württembergern als Kolonie zugeschlagen (und seither so behandelt) wurden.

    • @mecker-rv:

      Ja, aber davor war das noch Österreich.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mecker-rv:

      Könnte aus der Fäder des weinerlichen Ober-Schwaben G. Wolf stammen.

    • @mecker-rv:

      Die Württemberger aus dem Stuttgarter Neckarraum sind die Vorzeigebeispiele aller Klischees. Die sind tatsächlich so wie beschrieben. Alle anderen müssen mit darunter leiden.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Läufer:

        Die können weder Hochdeutsch noch Schwäbisch, allerhöchstens rudimentär.

         

        Aber Kehrwoch!

  • Das wichtige ist, dass der Terminus "Baden-Württemberger" eine politische Schönwetterphrase ist, die es so nicht gibt, die keiner so gebraucht (mal außerhalb von Wahlkampfplatitüden). Es gibt z.B. die Badener, und die sagen, "saget" alemannisch korrekt, durchaus "schwätze", und sie mögen auch die Schwaben nicht so - am wenigsten in den alten Grenzländern, klar. Sie erkennen aber an, dass die mitunter durchaus das ein oder andere bewerkstelligen können.

  • gut, dass es wenigstens weniger Stammesfehden in Mitteleuropa gibt

  • freilich schwätzad mir. I han no koin reden ghert.

  • Schwaben, Badener, Württemberger, Hohenzollern, (Unter-)Franken. Es gibt die Hohenloher... und die Kurpälzer, die hat er vergesse, der Schlaumeier...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Helmut van der Buchholz:

      Jaja, und die Alemannen auch...

    • @Helmut van der Buchholz:

      Ich schließe mich den Worten meines Vorredners an.

       

      Aber ob die in Berlin jemals kapieren, was ein Kurpfälzer ist?

       

      Ob es überhaupt Sinn macht, denen das erkären zu wollen?

       

      Renée Bürgler, Heidelberg (Kurpfalz, Baden, Baden-Württemberg)

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    I glaub', d'r Peter war scho a Weile nemme dahoim.

     

    Wo hat 'r denn des Bildle her?

    Womeglich von Buach?