: „Mehr Weiber!“
■ Fiese Christen gegen fitte Sarazenen: Am Wochenende war Riesen-Ritterturnier in Rastede / „Fürtrefflich“und nur ganze fünfmal Autoscooter teuer
Jan-Hendrik sagt: „Hoppalopp.“Lukas dagegen: „Die Ritters.“Auf die Frage, was ihnen besonders gut gefallen hat. Beide sind noch etwas aufgewühlt. Wie sich das gehört für Kinder unter 1,20 Meter Stockmaß. Nach so einem Nachmittag.
Kinder unter 1,20 Meter Stockmaß hatten gratis reingedurft, beim Mittelalterlich Spectaculum und Ritterturnier am Wochenende in Rastede. Papa hat 22 Mark bezahlt. „Vier mal Autoscooter biste auch 20 Mark los,“hat Papa gegenüber Onkel Erich zurechtgerückt. Onkel Erich hatte nämlich wegen des Eintrittspreises gemault. Da hatte er allerdings auch schon für mindestens zwei mal Autoscooter original mittelalterlichen Meth drin. Aus einem Kuhhorn gekippt. Papa war ohnehin Feuer und Flamme, weil er schon satte 10 Minuten auf Video hatte. Einen zerlumpten und entstellten Bettler hatte er im Kasten. Hatte voll draufgehalten, was er sich sonst nie so traut. Mindestens dreißig Sekunden die mittelalterliche Korbflechterin mit dem sauknappen Ledermini. Und zwei Minuten von einer ritterlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Kleinen. Die hatten auf einem Holzbalken gesessen und mit Strohsäcken aufeinander eingedroschen, bis Jan-Hendrik runterfiel und weinte. In Großaufnahme. Zum Trost kriegte er von Onkel Erich ein Plastikschwert gekauft. Lukas kriegte natürlich auch ein Plastikschwert. Woraufhin Jan-Hendrik wieder weinte, weil er das gemein fand. Aber da fing das Turnier an.
Beim Turnier war ein Narr, der sagte: „Alle müssen sich von den Afterballen erheben, wenn der Kaiser kommt.“Erst wußte niemand, was Afterballen sind. Doch dann hat er mit allen zusammen Jubeln geübt. Zu der Reihe, wo Jan-Hendrik und Lukas saßen, sagte der Narr: „Ihr seid die Ostkurve.“Der Narr hatte ein Mikro am Mund, damit ihn alle hören konnten. Dann wurde der Kaiser reingetragen. Er war blond und saß auf einer Sänfte. Danach wurde der Emir reingetragen. Der hatte schwarze Haare und war ein Ausländer. Seine Ritter hießen nicht Ritter, sondern Sarazenen. Die deutschen Ritter hießen Christen und wollten die Ausländer immer verhauen und ihnen Gold klauen. Da hätte es fast einen Krieg gegeben, aber dann haben sie lieber ein Turnier gemacht.
Die Ritterpferde waren ganz unter einer Decke versteckt. In der Decke waren Löcher für die Augen. Die Ritter trugen Kettenhemden und eine schwere Rüstung. Der Narr sagte, daß sie nie vom Pferd fallen durften, weil sie nicht selber aufstehen konnten, und daß man darum sagt: „ins Gras beißen“. Und wenn sie im Gras lagen, kämen die Feinde und würden ihnen in den Hals oder zwischen die Schenkel stechen.
Die Sarazenen hatten bunte Sachen an und krumme Schwerter. Sie siegten im Ringstechen, Bogenschießen und überhaupt immer. Aber die Christen schummelten und waren unglaublich gemein, so daß man nie genau wußte, zu wem man halten sollte. Am Ende stand es 160 zu 160. Da wurde dann Ernst gemacht, und die Ritter versuchten, die Sarazenen mit der Lanze vom Pferd zu schmeißen. Und umgekehrt. Wer getroffen wurde, ließ sich fallen. Das sah man ganz genau. Aber es zerbrachen auch Lanzen, das war echt. Der Narr schrie immer „itzo“und „fürtrefflich“, damit man merkte, daß Mittelalter war.
Am Ende hat Ritter Konrad mit der Fackel ein Sarazenenzelt angezündet, da hätte es um ein Haar wieder Krieg gegeben. Aber plötzlich kam eine Bauchtänzerin auf den Platz, und alle waren wieder friedlich. Und der Narr sagte: „Fürtrefflich: ein einziges Weib kann einen Krieg gewinnen. Wir bräuchten mehr Weiber.“ BuS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen