Mehr Kunden als die USA Einwohner: ABC-Bank geht an die Börse
Die chinesische Staatsbank ABC hat mehr Kunden als die USA Einwohner und machte im ersten Halbjahr 2010 einen Reingewinn in Milliardenhöhe. Jetzt geht sie an die Börse.
PEKING taz | Die Agricultural Bank of China (ABC) hat im ersten halben Jahr einen Reingewinn von umgerechnet 5,39 Milliarden Euro gemacht. 40 Prozent mehr als im selben Zeitraum 2009. Das vermeldete das Börsenblatt Shanghai Securities News am Mittwoch. Diese Zahlen kamen gerade rechtzeitig, um die Aufregung über den größten Börsengang in der Geschichte des weltweiten Aktienhandels noch einmal anzuheizen: Mehr als 17,5 Milliarden Euro, schätzen Experten, dürften chinesische und internationale Käufer für die Wertpapiere des Geldhauses hinlegen, die ab dem heutigen Donnerstag in Schanghai und ab Freitag in Hongkong auf den Markt kommen.
Die Landwirtschaftsbank geht als letzte der großen vier chinesischen Staatsbanken an die Börse. Kein anderes Geldinstitut ist im Reich der Mitte so präsent wie sie. In den Fünfzigerjahren unter Mao Zedong gegründet, sollte sie die revolutionären Pläne der jungen kommunistischen Regierung finanzieren. Zurzeit der Planwirtschaft organisierten die kommunistischen Banker in den Volkskommunen und Brigaden das Geld für Kollektivierung und Produktion. Die Bauern vertrauten ihnen ihr Erspartes an, wenn sie es nicht unter der Matratze verstecken wollten.
Wie so vieles in China mit seiner Bevölkerung von über 1,3 Milliarden Menschen sind auch die Statistiken der Landwirtschaftsbank atemberaubend: Bis Ende 2009 zählte sie 320 Millionen Kunden, darunter rund 2,7 Millionen Firmen. Auf ihren Konten sammelte sie Spareinlagen in Höhe von rund 879 Milliarden Euro. Bis Ende letzten Jahres gab sie Kredite von rund 480 Milliarden Euro aus.
Jobs: Rund 480.000 Leute arbeiten in fast 24.000 Filialen.
Aktionäre: Großanleger wollen mehr als die Hälfte der in Hongkong ausgegebenen Aktien abnehmen. 2,2 Milliarden Euro plant Qatars Staatsfonds anzulegen, Kuwait 636 Millionen.
Kennzahl: Die ABC-Bank hat eine Bilanzsumme von umgerechnet rund 824 Milliarden Euro.
Risiken: Der Anteil der faulen Kredite beträgt 4,32 Prozent.
Hinter diesen Statistiken verstecken sich aber nach Ansicht von Experten enorme Unwägbarkeiten und Probleme, wie sie auch die drei anderen großen Staatsbanken - die Bank of China, die China Construction Bank und die Industrial and Commercial Bank of China - kennzeichnen: Nur ein kleiner Teil des Aktienvermögens wird frei an den Börsen gehandelt: Die überwiegende Mehrheit der Papiere bleibt im Staatsbesitz. Die führenden Banker sind Mitglieder der KP und werden von der Partei eingestellt und entlassen.
Damit unterliegt die Geschäftspolitik der Finanzinstitute den Vorgaben der Parteichefs in der Zentralregierung und in den Provinzen. Kredite, so berichten Experten, werden deshalb häufig auch dann ausgegeben, wenn sie wahrscheinlich nicht bedient werden können.
Seit den Neunzigerjahren hat die Regierung zig Milliarden in die Geldhäuser gepumpt. Peking strich faule Kredite aus den Büchern, die nie zurückgezahlt wurden, oder erlaubte es, sie an sogenannte Vermögensmanagementfirmen zu übertragen.
Die ABC gilt als schwächste Bank im Quartett der Staatsbanken. 2008 machten faule Kredite noch fast ein Viertel ihrer gesamten verliehenen Gelder aus. Ende 2009 sank dieser Anteil auf 4,32 Prozent. Nach dem gewaltigen Kreditboom der vergangenen Monate ist die Sorge allerdings groß, dass viel Geld in Prestigeprojekten verpufft.
Gleichwohl ist das Interesse im In- und Ausland an den Aktien der ABC groß - nicht zuletzt aus Mangel an Alternativen. Schließlich kranken viele Banken andernorts an den Folgen der Finanzkrise. Mehrere Staatsfonds haben bereits angekündigt, größere Aktienpakete zu erwerben. Ihnen geht es gar nicht darum, Mitspracherechte zu erhalten, berichten ausländische Banker in Peking. Sie spekulieren auf deftige Gewinne. Auch die Aktienkurse der anderen Staatsbanken waren nach dem Börsengang zum Teil kräftig gestiegen.
Inzwischen zweifeln Funktionäre jedoch, ob der Zeitpunkt wirklich günstig ist. Die Regierung versucht derzeit, die Kreditvergabe wieder einzuschränken. Um die weltweite Finanzkrise möglichst glimpflich zu überstehen, hatte Peking vor zwei Jahren ein gewaltiges Konjunkturprogramm von über 460 Milliarden Euro aufgelegt. Gleichzeitig wies sie die Banken an, den Unternehmen freizügig Geld zu borgen. Das taten die Banker nach Kräften: Nach den jüngsten Statistiken der chinesischen Zentralbank verliehen sie 2009 insgesamt rund 864 Milliarden Euro.
In der ersten Hälfte dieses Jahres waren es fast 542 Milliarden Euro, mit denen die Provinzen Autobahnen, Schienentrassen, Flughäfen, Kraftwerke und Industrieparks bauen. Die chinesische Bankenaufsicht warnte Mitte Juni davor, dass die laxe Kreditvergabe die "Solidität des Bankensektors gefährdet". Die Projekte speisen Chinas Wirtschaftswachstum, das der Internationale Währungsfonds 2010 bei 10,5 Prozent erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!