Mehr Defizit als die Griechen: Irland sorgt sich um Staatsanleihen
Heute will die Grüne Insel neue Anleihen ausgeben. Doch das wird immer schwieriger: Es gibt Gerüchte, dass eine Staatspleite droht. Ist das die nächste Eurokrise?
DUBLIN taz | Irland ist praktisch insolvent. Das behauptet zumindest Simon Johnson, früherer Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF). "Das Resultat der irischen Bankenrettung ist offensichtlich", sagt er. "Die Regierung wird die Schulden privater Banken in Schulden der Steuerzahler verwandelt haben - obwohl sich die Nation das nicht leisten kann." Tatsächlich wird bis 2015 jede vierköpfige Familie einen Anteil von 200.000 Euro an den Staatsschulden haben, die bis dahin auf 200 Milliarden Euro anwachsen werden.
Dabei ist Irland jetzt schon das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in der EU. Das Defizit liegt mit 14,3 Prozent noch über dem der Griechen. Die Regierung hat deshalb für 2011 Einsparungen von mindestens 3 Milliarden Euro angekündigt.
Das werde nicht ausreichen, meint Patrick Honohan, der Chef der irischen Zentralbank. Die Haushaltspolitik müsse komplett neu ausgerichtet werden. Andernfalls werde die geplante Budgetsanierung wegen der hohen Kosten für Kredite und für die Bankenrettungen bis 2014 scheitern. Erst Anfang nächsten Monats wird sich herausstellen, wie viel weiteres Geld in die verstaatlichte Anglo Irish Bank gepumpt werden muss.
Aufgrund der Gerüchte am Wochenende, Irland müsse demnächst Hilfe bei EU und IWF suchen, ist das Vertrauen internationaler Finanzinvestoren in die Grüne Insel weiter gesunken. Die Regierung in Dublin spielt die Gefahr herunter: Man sei kein zweites Griechenland, die Reserven reichten.
Ob die beruhigenden Worte wirken, wird sich heute herausstellen, wenn Irland Staatsanleihen im Gesamtwert von 1,5 Milliarden Euro platziert. Investoren verlangen wegen der Gerüchte schon höhere Risikoaufschläge: Die beiden Anleihen mit Laufzeiten bis 2014 und 2018 müssen mit einem Zinssatz von 4 und 4,5 Prozent angeboten werden. Die Kosten für sogenannte Credit Default Swaps, Versicherungen gegen Zahlungsausfall, stiegen gestern erneut auf ein Rekordhoch
Irlands Krise ist zum großen Teil hausgemacht. In einem Bericht der zwei ehemaligen IWF-Mitarbeiter Klaus Regling und Max Watson heißt es, dass die Alarmglocken in Anbetracht der Immobilienblase bereits 2003 läuteten, aber von der irischen Regierung ignoriert wurden. Stattdessen erhöhte der damalige Finanzminister und heutige Premierminister Brian Cowen die Ausgaben und senkte die Steuern, um seiner Partei Fianna Fáil die Wiederwahl zu sichern.
Honohan sagt auch, dass Irlands Bankenkrise nichts mit dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers zu tun habe, wie die Regierung behauptet. Viel mehr habe die Kumpanei zwischen Politikern und Bankbossen die rechtzeitige radikale Reform des Bankensektors verhindert.
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