Meduza-Auswahl 28. März – 3. April: Putins Cartoon: der neue Mr. Burns
Kritische Cartoons zeichnen den russischen Präsidenten in seiner fünften Amtszeit: „Part Z“. Auch über Antiabtreibungspolitik berichtet das Exilmedium.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 28. März bis zum 3. April 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
„Russische Eliten sind immer noch Haie“
Nach dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny veröffentlichte die britische Journalistin und langjährige Russlandkorrespondentin der Financial Times Catherine Belton die russische Fassung ihres Bestsellers „Putin's People: How the KGB Took Back Russia and Then Took On the West“.
Für Meduza sprach Belton mit der Journalistin Tanja Lukyanova (englischer Text).
Beltons Buch erschien bereits 2020 auf Englisch. Auch danach sprach Belton mehrfach mit ihren Quellen in Russland. Einige der Mitglieder der russischen Elite, mit denen sie sich austauschte, seien „entsetzt“ gewesen, als Putin 2022 in die Ukraine einmarschierte. Für viele sei das eine „Katastrophe“ gewesen und das Ende von „30 Jahren des Aufbaus“ von Verbindungen zum Westen. Nun, im dritten Kriegsjahr, bewerten Teile der russischen Eliten die Situation anders, so Belton: „Ich befürchte, dass sie die Schwäche des Westens und die Lähmung der USA sehen und annehmen, dass der Krieg jetzt eine Gelegenheit bietet, die Karte neu zu zeichnen und eine Allianz aus Russland, Indien und China zu schmieden“. Belton fügt hinzu: „Leider sind die meisten russischen Milliardäre und Eliten immer noch Haie.“
Putins Machtgeschichte als Cartoon
Bereits 2012, als Wladimir Putin nach einer kurzen Unterbrechung als Premierminister ins Präsidentenamt zurückkehrte, veröffentlichte der russische Animator Egor Zhgun einen kurzen Zeichentrickfilm, der die Geschichte Russlands unter Putin nacherzählte. Sechs Jahre später aktualisierte er das Werk. Am 22. März 2024, fünf Tage nachdem Putin seine fünfte Amtszeit angetreten hatte, veröffentlichte Zhgun den dritten Teil seiner Putin-Serie, „Part Z“. Meduza fasst alle Teile in diesem Beitrag zusammen (englischer Text) und schlüsselt die vielfältigen politischen und kulturellen Anspielungen auf, die im Video zu finden sind. Der dritte ist der bisher düsterste. Inspiriert sind die Cartoons von den Simpsons, und Putin wird als Mr. Burns dargestellt.
Im Laufe des Videos werden verschiedene Kapitel in Putins Amtszeiten nacherzählt: Annektierung der Krim, Telegram, Fifa Fußballweltmeisterschaft 2018, Prä-Pandemie, Covid19-Lockdown, Kommunalwahlen … bis zu Nawalnys Tod. Das Video endet mit einem schwarzen Bild und impliziert so, dass Putin die Ermordung von Oppositionspolitikern in sibirischer Gefangenschaft angeordnet hat.
Russlands Antiabtreibungspolitik
In Russland gibt es aktuell kein föderales Gesetz, das Abtreibungen verbietet. Trotzdem weigern sich immer mehr Privatkliniken, diesen Eingriff vorzunehmen. Ärzte befürchten, dass dies ein Zeichen für eine möglicherweise bevorstehende Einschränkung der reproduktiven Rechte von Frauen russlandweit sein könnte. Meduza schaut beispielsweise in die russische Republik Tatarstan, wo im März 19 Privatkliniken „freiwillig“ die Durchführung von Abtreibungen einstellten (englischer Text). 2023 wurde der Zugang zu Abtreibungen in Privatkliniken in insgesamt mindestens 15 russischen Regionen eingeschränkt. Der Beitrag ist eine englische Übersetzung eines Originalartikels auf Russisch, den die unabhängige Journalistenkooperative Bereg veröffentlicht hat.
Im Bericht werden Testimonials von Frauen in Russland gesammelt, die von ihren Erfahrungen erzählen. Einige von ihnen wollen dabei anonym bleiben. Alles begann vor einigen Jahren, als der russische Gesundheitsminister Michail Muraschko von der Notwendigkeit sprach, Abtreibungen in Privatkliniken zu verbieten, weil sie sich angeblich nachteilig auf die Demografie auswirken. Kurz darauf begannen die Minister vieler Regionen, sich mit dem Thema zu befassen. „Ich glaube nicht, dass das russische Gesundheitsministerium ein vollständiges Abtreibungsverbot anstrebt (…) Aber sie versuchen definitiv, die Zahl der Abtreibungen so weit wie möglich zu reduzieren“, sagt eine der interviewten Frauen.
Russlands beliebtester Propaganda-Sänger
Der Sänger Jaroslav Dronow, eigentlich bekannt als Schamane, ist zu einem der berühmtesten Sänger Russlands geworden. In diesem Beitrag berichtet Meduza die Geschichte dieses Popsängers, der zu einem Phänomen in Russland geworden ist (russischer Text). Die Präsenz in den Medien ist gewollt: Er hat zum Beispiel ein Requiem für die bei dem Terroranschlag in Moskau jüngst Getöteten gesungen.
Seine Frau, Elena Martinowa, ist eine Topmanagerin der USM-Holding des Milliardärs Alischer Usmanow und Vizepräsidentin des russischen Telekommunikationsunternehmens Megafon. Die beiden sind seit sechs Jahren verheiratet. Vom Solisten einer unbekannten Coverband „Chas Pick“ zu einem stadienfüllenden Aushängeschild der russischen Propaganda hat es Dronow gemeinsam mit seiner Frau gebracht. Dronows Texte werden in Schulen und Universitäten gelernt, seine Lieder werden parodiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit