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Mediziner Ulrich Frei über Organspende"Das ist nicht Hokuspokus"

Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Berliner Charité, über Spenderprofile, die Vorzüge von Intensivmedizin während des Sterbeprozesses und den Mythos Hirntod.

Ein Organ spenden? Oder die Netzhaut? Vor dieser Entscheidung fürchten sich immer noch viele Menschen. Bild: Pippilotta* / photocase.com
Heike Haarhoff
Interview von Heike Haarhoff

taz: Herr Frei, die große medizinethische Debatte dieses Herbstes berührt den vielleicht intimsten, vor allem aber einen mit Angst besetzten Bereich menschlicher Existenz: den Umgang mit dem eigenen Tod. Die gesetzliche Neuregelung der Organspende könnte so aussehen, dass sich jeder von uns künftig zu der Frage verhalten muss: Was soll mit seinem Körper geschehen, wenn das Hirn tot ist, einzelne Organe aber noch so funktionstüchtig sind, dass sie anderen Menschen das Leben retten könnten? Können Sie nachvollziehen, dass Menschen sich vor dieser Entscheidung fürchten?

Ulrich Frei: Selbstverständlich. Seit den 70er Jahren ist das zentrale Problem der Organspende, dass öffentlich nicht bekannt ist, unter welchen Bedingungen sie stattfinden kann, wer als Spender in Frage kommt und vor allem: wie verlässlich die Diagnose Hirntod ist. Hierum ranken sich Mythen, die der Spendebereitschaft nicht unbedingt förderlich sind.

Dann entkräften Sie diese Mythen. Was passiert, wenn ein Motorradfahrer tödlich verunglückt und Sie seine Niere haben wollen?

Erstes Missverständnis! Der Mopedfahrer ohne Helm, das war der klassische Spender der 70er Jahre, ein Mensch, dessen Hirn tatsächlich verletzt war. Diesen Organspender gibt es praktisch nicht mehr: Selbst Fahrradfahrer tragen heute einen Helm. Nur noch ein Fünftel der heutigen Organspender hat eine Verletzungsursache.

Sie sehen einen Zusammenhang zwischen glücklicherweise sinkenden tödlichen Unfallzahlen und dem Mangel an Spenderorganen?

Charité
Im Interview: ULRICH FREI

64, ist Ärztlicher Direktor der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Der Professor für Innere Medizin forscht seit 1973 zur Nierentransplantation. 1999 gründete er "Old for old", um Spendernieren unter Gleichaltrigen zu vermitteln.

Ich weise lediglich auf den Umstand hin, dass sich in den letzten 30 Jahren die Ursachen, die zum Hirntod führen, fundamental geändert haben: Über 80 Prozent der heutigen Spender hatten einen Herzstillstand oder Schlaganfall - mithin keine Verletzung. Das sind Menschen, bei denen die Wiederbelebung für das Gehirn nicht erfolgreich war. Oder die einen Schlaganfall erlitten haben durch einen Gefäßverschluss oder durch eine Blutung. Dramatisch verändert hat sich daneben das Alter der Spender: Bis Mitte der 90er Jahre betrug der Anteil der über 65-Jährigen weniger als fünf Prozent. Heute nähern wir uns einem Drittel alter Organspender.

Organspende, gesetzlich

Der Anlass: Jährlich warten 12.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan, aber nur 3.000 können eines bekommen. In Umfragen sagen 75 Prozent der Deutschen Ja zur Organspende, aber nur 25 Prozent tragen einen Spenderausweis. Organe dürfen nur entnommen werden, wenn vor dem Tod oder später durch die Angehörigen zugestimmt wurde.

Das Gesetz: Um die Zahl der Organe zu erhöhen, planen Abgeordnete von SPD, CDU und FDP für Oktober einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf. Künftig soll jeder alle 5 Jahre von seiner Krankenkasse zur Spendebereitschaft befragt werden. Die Entscheidung (ja/ nein/weiß noch nicht) würde auf der neuen elektronischen Gesundheitskarte gespeichert, die die gesetzlichen Kassen ab Dienstag zuschicken. (hh)

Mit welcher Konsequenz für die Wartenden?

Die funktionstüchtige Niere eines Spenders ab 65 hat bei einem gleichaltrigen Empfänger gute Chancen, weiter gut zu arbeiten. Auch spielt die Übereinstimmung von Gewebeeigenschaften eine geringere Rolle als bei jüngeren Patienten. Für ältere Patienten ist das eine gute Nachricht. Die Wartezeit auf eine Niere etwa hat sich in der Gruppe der über 65-Jährigen seit 1999 von damals durchschnittlich sechs auf heute zwei Jahre verkürzt. Wir haben aber auch viele junge Patienten, die dringend warten.

Die Bereitschaft, Organe zu spenden, ist vielleicht deshalb bei älteren Menschen größer, weil diese das Gefühl haben, ihr Leben gelebt zu haben. Jüngere hingegen fürchten, dass sie eventuell noch gar nicht richtig tot sind: Um Organe entnehmen zu können, muss ein Mensch hirntot sein - ein Zustand, in dem andere Körperfunktionen noch intakt sind.

Sterben ist ein Prozess. Der Hirntod ist der Nachweis des Todes nicht durch den Stillstand des Kreislaufs, sondern durch den kompletten Ausfall des Hirnorgans. Dies ist der Fall, wenn das Hirn - das ja ein extrem empfindliches Organ ist - länger als acht Minuten nicht durchblutet ist. Dann ist das Gehirngewebe irreversibel geschädigt. Diesen Nachweis können Mediziner diagnostisch seit den 60er Jahren erbringen: Es geht um den Zeitpunkt, an dem der Sterbeprozess unumkehrbar ist. Das ist nicht Hokuspokus. Hirntod ist etwas sehr Fassbares.

Dennoch bleiben Zweifel, weil der Hirntote noch schwitzt, noch ausscheidet, einen Pulsschlag hat.

Warum das so ist? Weil bei einem Hirntoten jede Art von Regulation, die zuvor das Gehirn übernommen hat, weg ist. Die Blutdruckregulation, die Atemregulation, die Temperaturregulation, die Regulation von Hormonen - sie alle sind massiv gestört.

Warum lassen Sie einem solchen Patienten überhaupt noch Intensivmedizin zuteil werden, wenn er doch tot ist?

Weil eine Organentnahme andernfalls nicht möglich ist. Organspende setzt Intensivmedizin voraus. Ein Herz, das aufgehört hat zu schlagen, können Sie nicht mehr transplantieren. Die Behandlung eines Hirntoten ist aufwendiger als die eines Lebendigen, weil die Intensivmedizin alles übernehmen muss, was vorher das Gehirn unwillkürlich gemacht hat.

Das heißt umgekehrt: Sanftes Sterben und Organspende schließen einander aus. Damit dürften Sie für Ihr Anliegen eine große Zahl von Menschen verlieren. Diejenigen nämlich, die zwar grundsätzlich spendewillig sind, aber ein Sterben unter Apparatemedizin für sich ausschließen.

Es stimmt. Nur: Diese Patienten liegen bereits auf der Intensivstation - unter welchen akuten Umständen auch immer sie dahin gelangten. Wenn in der Patientenverfügung Intensivmedizin ausgeschlossen wird, dann ist automatisch auch Organspende ausgeschlossen. Hirntoddiagnostik ist auch eine Garantie, dass keine sinnlose Intensivmedizin angewendet wird. Für eine Organspende sind vielleicht 48 Stunden Intensivtherapie nötig. Das ist nicht das, was man sich unter einem langen Dahinvegetieren vorstellt.

Viele Menschen haben Angst, dass die Ärzte vorschnell einen vermeintlichen Hirntod feststellen könnten. Schließlich herrscht in Deutschland Organmangel, schließlich ist jeder medizinische Eingriff auch immer ein Geschäft.

Der Hirntod darf absichtlich nicht von den behandelnden Intensivmedizinern festgestellt werden, sondern nur von einem externen Team. Zwei dafür qualifizierte Ärzte müssen den Hirntod unabhängig voneinander feststellen. Sie dürfen weder an der Entnahme der Organe noch an deren Transplantation beteiligt sein. Sie dürfen auch nicht der Weisung eines an der Transplantation beteiligten Arztes unterstehen. Ich sehe das Problem woanders: Viele Organe werden derzeit deswegen nicht transplantiert, weil das Krankenhaus nicht rechtzeitig die Angehörigen kontaktiert. Oder weil es gar nicht erkennt, wer sich als Spender eignet. Der durchschnittliche Arzt auf der Intensivstation kann das nicht ermessen. Dafür braucht es Spezialisten, geschulte Transplantationsbeauftragte. Hier müssen wir die Krankenhäuser weiterqualifizieren.

Wie wird der Hirntod diagnostiziert?

Zunächst klinisch über die Prüfung der sogenannten Hirnnerven. Ein Zeichen für den Hirntod beispielsweise ist die weite, lichtstarre Pupille, die auch dann nicht reagiert, wenn Sie mit einer starken Lampe direkt ins Auge leuchten. Ein anderer Hirnnerv ist das Gleichgewichtsorgan, das man testen kann, indem man den Gehörgang mit eiskaltem Wasser spült. Schließlich kann man über Reize die Schmerzempfindung im Gesicht und den Schluckreflex testen. Dafür braucht man keine Maschine.

Was ist mit der Atmung?

Das ist ein potenziell gefährlicher Test. Man kann ja nicht einfach das Beatmungsgerät abstellen und abwarten, ob der Patient noch atmet.

Warum nicht?

Stellen Sie sich vor, der Patient ist gar nicht hirntot! Das Risiko ist zu groß. Was also machen wir? Wir setzen die Atemfrequenz des Beatmungsgeräts herunter. Sie kennen dieses Phänomen vom Luftanhalten: das Kohlendioxid im Blut steigt an, und den Reiz, wieder atmen zu wollen, kann der Wille irgendwann nicht mehr kontrollieren. Bevor wir die Beatmung ganz abtrennen, lassen wir über eine Sonde zehn Liter Sauerstoff direkt in die Lunge strömen. So entsteht keine Gefahr von Sauerstoffmangel, aber das Atemzentrum kommt an seine Grenzen. Jeder nicht Hirntote fängt dann zumindest mit einer Schnappatmung an.

Irrtümer ausgeschlossen?

Schließlich können wir den Hirntod bildlich nachweisen. Die eindrücklichste Methode ist, mithilfe eines Kontrastmittels die Blutgefäße des Gehirns darzustellen. Beim Gesunden sehen Sie einen schönen Gefäßbaum, beim Hirntoten sehen Sie: nichts. Inzwischen geht das auch ohne Kontrastmittel, beispielsweise über die Magnetresonanztomografie (MRT). Oder der Arzt kann ein EEG schreiben. Sieht man über 30 Minuten keine einzige Hirnaktivität, dann ist der Patient hirntot.

Anschließend können Sie - vorausgesetzt, Ihnen liegt eine Einwilligung vor - mit der Entnahme der Organe beginnen. In einigen Ländern wird der Körper des Hirntoten hierzu in Vollnarkose gelegt. Warum, wenn er doch angeblich gar nichts mehr spürt? Gibt es doch einen Restzweifel?

Nein. Es ist keine Narkose, sondern es sind spezielle Medikamente, um krampfartige Muskelbewegungen nach dem Tod zu unterdrücken, die sonst häufig - auch unabhängig von Organspende - beobachtet werden. Die Medikamente werden in erster Linie gegeben, um weniger erfahrenes medizinisches Personal nicht zu verstören.

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20 Kommentare

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  • S
    sonnenschein

    warum gehen die Leute eigentliche noch zum Arzt. Nach den Aussagen scheinen alle Ärzte "Mörder" zu sein.

  • S
    Sun

    wie seltsam:

    Zur Beruhigung des OP-Teams werden dem Spender,so Prof.Frei, Muskelrelaxanzien verabreicht. Zur "Optimierung der OP" empfiehlt die DSO fürsorglich "Fentanyl",ein starkes Morphin. Expressis verbis(DSO),damit der Blutdruck des Spenders bei der Explantation nicht innerhalb von wenigen Sekunden in die Höhe schnellt und das OP-Team unnötig verschreckt. Also eine Narkose,um zweifelndes OP-Personal zu beruhigen, sozusagen eine Beruhigungspille für das Explantationsteam.

    Der hirntote Spender ist zweitrangig,er ist ja,qua Definition, tot. Wenn er, derart sediert,endlich stillhält, ist offenbar alles okay.

    Dann kann sich jeder Beteiligte sagen: der Spender hat sich zwar vor der Narkose spontan bewegt, nach der Narkose aber wirkt er endlich "mausetot".

    Anatomen und Gerichtsmediziner kennen solche Phänomene nicht. Leichen sind starr, regungslos, zu Ende gestorben und wirklich tot.

  • G
    guntherkummerlande

    "...Zunächst klinisch über die Prüfung der sogenannten Hirnnerven. Ein Zeichen für den Hirntod beispielsweise ist die weite, lichtstarre Pupille, die auch dann nicht reagiert, wenn Sie mit einer starken Lampe direkt ins Auge leuchten. Ein anderer Hirnnerv ist das Gleichgewichtsorgan, das man testen kann, indem man den Gehörgang mit eiskaltem Wasser spült. Schließlich kann man über Reize die Schmerzempfindung im Gesicht und den Schluckreflex testen. Dafür braucht man keine Maschine.

    ..."

    Ich habe nicht Medizin studiert, aber diese

    Todesfeststellungsdiagnosen halte ich zu Recht

    für viel zu unsicher.

    So kann die lichtstarre Pupille

    durch Drogen (Amphetamine) verursacht sein.

    Die Atemmuskulatur kann bei stark geschwächten

    Menschen oder vorher medikamentös gelähmten

    Menschen auch viel zu mickrig mit

    dem Atemreflex reagieren und auch die

    Schmerzleitung oder die Steuerung der Gesichtsmuskeln

    ist durch bestimmte Muskelrelaxantien

    einstellbar(siehe Bottox). Auch stark narkotisierte Menschen

    spüren keinen Schmerz.

    Gerade zum Beispiel bei potentiellen Vergiftungsopfern(Meuchelmord, Abhängige,

    Patienten in Krankenhäusern oder Altenheimen)

    ist die Feststellung eines Hirntodes deshalb

    in Wirklichkeit überhaupt nicht trivial!!!

    Höchstens mit Computertumorgrafie könnte

    man wirklich eine sichere Diagnose

    gewährleisten. Alles andere wird der

    heutigen multimorbiden und manipulations-

    anfälligen Welt nicht wirklich

    juristisch und wissenschaftlich korrekt

    gerecht.

    Der Professor Frey berücksichtigt

    hier absichtlich oder nicht zuwenig

    die Durchtriebenheit, Profitgier, Vertuschungsgefahr

    und Falschdeutungsgefahr bei Todesfeststellung.

     

    Es besteht immer das Risiko, dass

    korruptes oder gestörtes Krankenhauspersonal

    sich Opfer aussuchen, um einen bestimmten

    Menschen zu retten, indem sie ihn medikamentös

    über einen längeren Zeitraum herunterwirtschaften

    und den Patienten reif für die Transplation

    machen. Falsche Wirkstoffkombinationen,

    schneller Muskelabbau durch übermäßig

    langes Verharren in Klinikbetten und

    entsprechende chemische Substanzen.

     

    Übermüdetes oder karrieregeiles Personal,

    könnten dann diese unwissenschaftlichen

    o.g. Todesfeststellungsmethoden dann in ihren

    Details auch einmal gern übersehen oder

    durch ein Hinausdehnen des Prozederes

    das Transplatationsopfer noch ein bißchen

    mehr "toter" machen.

     

    Bevor nicht eine mehrfach CT von

    unterschiedlichen Ärzteteam vorgeschrieben wird,

    sollte man Organspenden sich zehnmal überlegen.

  • D
    diplom_hartzi

    In einem Forum habe ich gelesen, dass der ****-Klinik-Konzern die meisten Todesfälle haben soll und gleichzeitig Spitzenreiter bei Organspenden ist. Sind die externen Experten aus der gleichen Klink wie der Intensivmediziner oder gehören sie einer öffentlichen Behörde an? Ich würde meine Spendenbereitschaft auf konfessionelle und kommunale Kliniken eingrenzen und Privatkliniken definitiv ausschliessen. (War einmal in einer ****-Klink, s.o., nie wieder!) Aber die Option ist im Organspendeausweis nicht vorgesehen.

  • G
    GrauAlfons

    Sehr geehrte Frau Haarhoff,

     

    herzlichen Dank für das sehr gute und erhellende Interview: Mediziner Ulrich Frei über Organspende "Das ist nicht Hokuspokus" Leider irrt Herr Professor Frei, wenn er meint IGHA-Organspender (IGHA = Irreversibler Ganzhirnausfall) würden bei der Explantation keine Schmerzen erleiden. Der Gesichtsausdruck von Spenderleichen spricht eine andere und deutliche Sprache.

     

    Wegen der anstehenden Novellierung des TPG habe ich, angeregt durch den Spiegelartikel: "Ein Wille, kein Weg", einen offenen Brief an die Herren Steinmeier und Kauder geschrieben. Ich sende Ihnen nachfolgend den Text mit der Bitte um Veröffentlichung als Beitrag zur kritischen Aufklärung über Organtransplantation.

     

    > Sehr geehrte Herren Dr. Steinmeier und Kauder,

    >

    > was verstehen Sie unter Aufklärung über Organtransplantation? Ist es das, was DSO, BZgA und viele Krankenkassen bisher betreiben? Das ist im Wesentlichen irreführende Werbung, die verschweigt und lügt. Während Sie durch Ihre Erfahrungen motiviert werden für eine Erhöhung der Zahl der Hirntod-Organspenden einzutreten, wenden sich Ärzte und Pfleger, die Erfahrung mit Explantationen haben, entsetzt von dieser Therapieform ab.

    >

    > Ich verfolge das Thema Organtransplantation seit 1967/68 und weiß, dass der Hirntod nie als biologischer Tod des Menschen galt. Er war und ist lediglich Abschalt- und Entnahmekriterium. Sogenannte Hirntote sind allenfalls Sterbende, die bei lebendigem Leib explantiert und dadurch getötet werden um durchblutete Organe für die Verpflanzung zu gewinnen. Kein Mensch - auch kein Arzt - weiß, ob sie bei der Explantation etwas wahrnehmen und empfinden; aber viele Anzeichen sprechen dafür. In der Schweiz ist deshalb Vollnarkose vorgeschrieben. Das müssen alle Menschen - potentielle Organgeber und Organempfänger - wissen.

    >

    > Zur Vermittlung dieses Wissens dienen z.B. das "Merkblatt aufgeklärte(!) Organspende" von Rechtsanwalt Uwe Friedrich http://www.dr-friedrich-partner.de/pdf/merkblaetter/mb_aufgeklaerte_organspende%20220511.pdf und die Internetplattform "Menschenwürde-Hirntod-Organspende" von Heike Braun www.hirntoddebatte.wordpress.com.

    >

    > Es herrscht wohl Einigkeit darin, dass angesichts obiger Tatsachen bezüglich Explantationen die Ausübung des freien Willens gewährleistet sein muss. Das bietet mit Sicherheit die "enge Zustimmungslösung". Bei allen anderen Lösungsversuchen besteht mehr oder weniger die Gefahr, dass die Freiwilligkeit unterlaufen wird.

  • R
    Rudi

    Un d wann zeigen Sie Kommentare?

  • WK
    Wolf K.

    Sehr geehrter Herr Frei,

     

    sollten Sie glauben, mit ihrem Artikel "Mythen" entkleidet, und die wahrhaft irritierenden Fragen in bezug auf Tod uns Sterben beantwortet zu haben, liegen sie falsch. Wie sicher und endgültig man heutzutage

    den "Tod" des Hirns, genauer bedacht dürfte der Begriff "Tod" nicht fallen, ist doch gerade er fraglich, anhand von elektrischer oder ähnlicher Inaktivität feststellen kann, ist für die spezifische Frage, ob und wie man den eigenen Tod erlebt, nicht hinfällig, aber unzureichend. Dies Unzureichende kann

    mit Recht als mehr oder weniger unklärbar aufgezeigt werden, da wissenschaftstheoretische und metaphysische Restprobleme, etwa die noch offene Frage ob eine materialistische Herangehensweise an die Erlebenspotenz des Menschen resp. an dessen seelisches (Er-)Leben, bestehen bleiben. Das Ausfallen der materialistischen Indikatoren für Erleben impliziert nicht das Fehlen von Erleben überhaupt. Physischer "Tod" impliziert nicht völlige

    Schmerz- und Erlebensfreiheit, und wir sprechen hier nur vom "Tod" eines Teils des Körpers... Damit möchte ich nicht für ein leben nach dem Tod o.ä sprechen, sondern einfach darauf hinweisen, dass unsere (materialistischen) Indikatoren nicht hinreichend sind, das Ende von Erlebnissen und damit das Ende des Erlebens des eigenen Ablebens zu bestimmen. Vorsicht und Nicht-Teilnahme an der Transplantationspraxis kann daher als kluge Wahl bezeichnet werden. Wir wissen weder, was uns erwartet, noch, in welche menschlichen Untiefen uns diese Praxis noch führen wird. Auf Gebrauch folgt Missbrauch, das lehrt die Geschichte. Einige Techniken als zu hoch potenzierte Macht des Menschen

    über eigentlich ihm übermächtige und Ganzen mehr unbekannte als bekannte Prozesse (dazu gehören die politischen Prozesse der Geschichte, dazu gehört auch der Prozess des Sterbens, der Kernspaltung,...) sind daher prinzipiell abzulehnen. Transplantaionen und Entnahme von Organen gehören für mich dazu, und die Allgemeinheit, auch die zukünftige, steht über dem Individuum, das leider (das sehe ich schon ein..) zu früh sterben musste.

  • RZ
    Rolf Zavelberg

    Zum Interview über Organspenden mit Prof. Ulrich Frei. Ich habe mir so meine Gedanken gemacht:

     

    Menschen sterben. Alle. Der Tod gehört zum Leben, ja das Sterben ist Teil davon. Bei der Frage von „Organspenden“ geht es also nicht darum OB jemand stirbt sondern bestenfalls um die Frage WANN, also des Zeitpunkts. Das gilt für die „Spender“ genauso wie für die „Empfänger“. Im Grunde lässt man die „Spender“ nicht in Ruhe sterben, die Mediziner müssen den Sterbeprozess beobachten um beurteilen zu können wann sie schon weit genug (im rechtlichen Sinn) gestorben sind aber noch nicht so weit Tod, dass man die Organe nicht mehr verwenden kann.

     

    Dafür müssen Sie die Sterbenden auch ein wenig „quälen“ um zu sehen, ob sie auf diese Reize reagieren. Der Befürworter von Organspenden Prof. Frei beschreibt es gut, mindestens zwei Ärzte kommen, leuchten ihm mit einer starken Lampe in die Augen, spritzen eiskaltes Wasser in den Gehörgang und fügen ihm Schmerzen zu. Und bei all dem kann es gut sein, dass er eben noch nicht „Hirntod“ ist – bleiben Zweifel werden ihm ggf. Kontrastmittel ins Hirn gespritzt, über eine Sonde Sauerstoff in die Lunge gepumpt, man macht eine Magnetresonanztomografie, und so weiter. Würden Sie das wollen?

     

    Was das und die Organentnahme für die Sterbenden bedeutet (und wie viel sie davon mitbekommen) wissen wir nicht. Ich für meinen Teil finde schon die Vorstellung, dass eine Gruppe Ärzte während eines so wichtigen Prozesses dauern Untersuchungen mit mir macht, schlicht unangenehm. Es hat etwas von „lauern“. Alle, die einer Organentnahme zustimmen sollten auch über diesen Aspekt informiert sein. Und schließlich: wer sagt, dass der Tod etwas Schlechtes ist?

  • R
    Rudi

    Dies ist mein 2. Kommentar: Meine Antwort gefällt nicht. Sie wird gestrichen. So bleiben wir weiter mit unserer Schuld allein, der Entnahme der Nieren bei unserem hirntoten Sohn zugestimmt zu haben. Die vielen qualifizierten Berichte über die Schmerzen der Spender bei der Organentnahme werden zu Lügengeschichten? Frau Dr. Heidi Schüller hat vor vielen Jahren den Mut gehabt, die Wirklichkeit zu beschreiben. Wie geht es ihr denn heute?

  • IN
    Ihr NameRudi

    Am Morgen nach durchwachter Nacht sagte uns der Arzt auf dem Flur, daß unser Sohn hirntot sei. Wir sollten uns das mit einer Organspende überlegen. In einer halben Stunde würde er uns im Arztzimmer erwarten. Wir spürten den miesen Stil im Schock über den Tod unseres Jungen nicht. Wir stimmten der Nierenspende zu. Einige Monate später sprach Frau Dr.Heidi Schüller über die Schmerzen der Hirntoten bei der Entnahme der Nieren ohne Narkose.

    Diese Schuld lastet nun auf uns, unserem Jungen durch unseren Entscheid nicht vorstellbare Schmerzen bereitet zu haben

  • JR
    Josef Riga

    Der "Tote" bekommt Sedativa, damit seine Zuckungen das unerfahrene medizinische Personal nicht stören: ja, das kann man sich gut vorstellen... das Geschäft mit der Ausweidung von Leichen zugunsten der "leidenden Menschheit" soll bitteschön nicht von Irritationen gestört werden wie der, dass man vielleicht einen noch immer Sterbenden -also nicht völlig toten Patienten- auf dem Tisch hat. Das wäre sehr kontraproduktiv.

    Aber immer gilt: wenn mit etwas Geld zu verdienen ist, wird es gemacht. eine humane Argumentation findet sich dafür immer.

  • A
    Andrea

    Eine Frage wurde noch vergessen: Herr Frei, haben Sie einen Organspender-Ausweis?

     

    Alle mir bekannten Ärzte haben keinen Organspender-Ausweis! Warum? Weil der Hirntod in der Medizin eben nicht so unumstritten ist, wie Herr Frei behauptet und weil eben nicht gewährleistet ist, dass man keine Schmerzen während der Organentnahme erleidet. Warum ist in der Schweiz eine Vollnarkose bei der Organentnahme gesetztlich vorgeschrieben und in Deutschland nicht?

     

    Ich halte die Formulierung auf dem Organspendeausweis (auf die ich auch jahrelang hereingefallen bin), dass nach (!) dem Tod Organe entnommen werden dürfen, für betrügerisch und geradezu arglistig gegenüber Menschen, die ihren Mitmenschen eigentlich Gutes tun wollten.

     

    Man sollte sich jedenfalls selbst eingehend über das Thema "Hirntod" informieren, bevor man einen Organspender-Ausweis ausfüllt oder die Organe eines Angehörigen freigibt.

     

    Ich jedenfalls habe meine Organspender-Ausweis, den ich seit meinem 16. Lebensjahr mit mir herumtrage inzwischen zerrissen.

  • S
    samson

    Das Hirn ist unser Bewußtseinsorgan, aber nur als Spiegel. Es gibt auch ein Bewußtsein ohne materielle Grundlage wie viele Berichte belegen. Z. B gibt es Menschen die obduziert werden bei deren geschädigten Gehirn eine kognitive Leistung, die sie vorher gezeigt haben, eigentlich gar nicht möglich wäre.

  • AS
    alter Sack

    Wie weit reicht eigentlich die Handelszone?

     

    Werden Organe auch zum Beispiel nach Afrika geliefert - oder nur von dort bezogen?

     

    Wer verdient daran? Kostet ein Organ mehr als den Aufwand es zu gewinnen, zu transportieren und zu implantieren?

  • F
    F.R.

    der Artikel hat mich wirklich sehr beruhigt ;) *hust*

  • AS
    alter Sack

    Eine weitere Frage, die nicht angesprochen wurde, auf meine Spendenbereitschaft jedoch direkten Einfluss hat:

     

    Wie ist die Zuteilung von Spenderorganen organisiert?

     

    Wenn ein und dasselbe Organ zu 2 Empfängern gleichermassen gut passt - wer bekommt es dann?

    - Der Jüngere oder der Reichere?

    - Der Kassenpatient oder der Privatpatient?

     

    Und: sind Mediziner glaubwürdiger als Politiker? Ich bin es gewohnt, belogen zu werden - warum soll ich glauben?

  • S
    Silvia

    DAS nenne ich einen Schlachtplan!

  • L
    Ludwig

    Ein externes Team muss den Hirntod feststellen, OK. Dazu fällt mir folgende ein: "Eine Hand wäscht die andere." Mal davon abgesehen, dass es für bestimmte Leute nicht darauf ankommt, wen man für eine "Dienstleistung" bezahlt.

  • VM
    von Molke

    Guten Tag,

     

    vielen Dank für diese Informationen. Ich war vorher schon skeptisch in Bezug auf Organspende. Jetzt steht für mich fest: Auf gar keinen Fall! Es ist ganz offensichtlich, dass die sogenannten Experten keine Ahnung haben, wann jemand tot wirklich ist. Wie bei einem Tierversuch experimentieren sie an dem Patienten herum, um auszuschliessen, dass die Person vielleicht doch noch lebt. Es geht also nicht darum zu beweisen, dass sie noch lebt!Ganz genau wissen sie aber nicht.

    Wer schon einmal im Krankenhaus war und nicht Privatpatient ist, der weiß ohnhin: das Personal ist chronisch überfordert, die Versorgung schlecht. Und dann soll dieses Personal auch noch sicher stellen, dass die Patientin, der Patient wirklich tot ist? Die Frage ob Hirntod wirklich tot ist, ist vollkommen ungeklärt. Organspende? Nein, danke!

  • AS
    alter Sack

    Ich meine, es wäre schon fair im Artikel auf eine weitere Tatsache hin zu weisen.

     

    Es ist nicht so romantisch bei der Organentnahme, wie der geneigte Organspender das gerne glauben soll:

     

    Es wird nicht das Herz, eine Niere, eine Hornhaut ... entnommen.

    Alles kommt raus: das geht zu wie auf einem Schrottplatz - die Karre wird

    komplett ausgeschlachtet.

     

    Ich bleibe sehr unentschlossen, ob ich dafür oder dagegen sein soll, meine

    Bedenken wurden durch den Artikel nicht entkräftet.

    Vielleicht auch, da ich dem Gehirn nicht all zu viel Bedeutung beimesse.