Medikamenten-Konsum von Männern: Jeden zweiten Tag eine Pille
Männer schlucken mehr Pillen als Frauen, aber sie fühlen sich gesünder. Gesundheitsvorsorge empfinden Männer dagegen mehrheitlich als uncool.
Männer sind krank, fett und faul. So in etwa könnte das vereinfachte Ergebnis einer Studie lauten, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) durchgeführt hat. Danach bekam im vergangenen Jahr jeder Mann zwischen 15 und 65 Jahren durchschnittlich für 177 Tage Medikamente verschrieben. Oder anders gesagt: Jeden zweiten Tag werfen Männer Pillen ein. Sie haben damit bei der Medikamenteneinnahme die Frauen überholt.
Vor zehn Jahren war das noch anders. Im Jahr 2000 schluckten Frauen an durchschnittlich 214 Tagen Tabletten, Männer an 143 Tagen. "Heute ist bei Männern jenseits der 40 Dauermedikation angesagt", sagt TK-Pressesprecherin Michaela Hombrecher.
Das ist kein Erfolg. Männer sind auch nicht gesünder geworden, geschweige denn gesünder als Frauen. Kurioserweise fühlen sie sich aber besser als das andere Geschlecht, ergab die Studie.
Dabei sterben sie früher als Frauen und weisen inzwischen häufiger als bislang Essstörungen und psychische Probleme auf. Drei Viertel aller Männer in Deutschland und 59 Prozent aller Frauen sind nach Angaben der Deutschen Adipositas Gesellschaft zu dick. Laut Statistischem Bundesamt wurden Frauen im Jahr 2008 durchschnittlich 82,6 Jahre alt, Männer 77,4 Jahre. Im Jahr 2007 nahmen sich über 7.000 Männer das Leben, dagegen nur 2.400 Frauen.
Warum ist das so? Männer scheren sich wenig um ihre Gesundheit, sagt Frank Sommer. Der Arzt an der Uni-Klinik Hamburg ist der einzige Professor für Männergesundheit in Deutschland. Unter Männern, sagt Sommer, gilt es als unmännlich und uncool, sich um seine Gesundheit zu kümmern: "Männer sehen sich gern als unverletzbar." Solange der Körper funktioniert, ist ja auch alles prima.
Die Techniker Krankenkasse hat es statistisch erfasst: Siebzig Prozent der TeilnehmerInnen an Präventionskursen zu Ernährung und Bewegung sind Frauen. "Wir haben die Kurse schon extra in Fitness-Studios gelegt, weil Muckibuden bekanntlich mehr Männer anziehen als Frauen", sagt Michaela Hombrecher. Ohne Erfolg. Selbst die von der Krankenkasse veranstalteten Gesundheitsreisen locken kaum Männer an.
Die Problemgruppe sind Männer zwischen 40 und 60, sagt Michaela Hombrecher. Bereits mit Mitte 30 fängt es an: In dieser Zeit stehen Männer beruflich und familiär unter Druck, allmählich verändert sich ihr Stoffwechsel, Gewichtszunahme ist selten zu vermeiden. Trotzdem legen sie lieber das Steak auf den Grill und schauen Sportschau statt selbst in die Turnschuhe zu steigen.
Die Folge: Die Hälfte aller Medikamente, die Männer heute einnehmen, regulieren Herz-Kreislauf-Probleme und senken den Blutdruck. Frauen schlucken nicht einmal halb so viele Pillen gegen derartige Beschwerden.
Ohnehin achten Frauen mehr auf ihre Gesundheit: Sie essen gesünder und treiben mehr Sport. Laut Forsa-Umfrage joggen Frauen aber eher aus Vernunft, und Männer, weil es ihnen Spaß macht.
Neunzig Prozent der Männer gaben an, ihren Lebensstil verändern zu wollen, wenn sie damit Krankheiten vorbeugen können. In der Realität tun das aber die wenigsten. Männer seien sehr ungeduldig, sagt Männergesundheitsforscher Frank Sommer.
Sie wollen schnelle Ergebnisse, auch im Sprechzimmer. Sechs von zehn Männern erwarten, Arzneimittel verschrieben zu bekommen. Sind Männer erst einmal krank, leiden sie auf hohem Niveau. Jede Partnerin kennt das: Er wimmert und muss bedauert werden, denn er hat eine Grippe. Aber sie pflegt ihn brav. Jede zweite Frau betreut ihren kranken Mann, während sich nur jeder dritte Mann um seine kranke Frau kümmert.
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