Medienstrategie von Facebook: Viel Sorry, wenig Dialog
Facebook-Chef Zuckerberg übt sich in Entschuldigungen. Derweil baut der Konzern sein Mediennetzwerk aus und arbeitet an seiner Außendarstellung.
Eines kann Mark Zuckerberg, der Chef von Facebook, mittlerweile gut: sich entschuldigen. „Wir haben unsere Verantwortung nicht umfassend gesehen“, sagt er am Dienstagabend vor dem EU-Parlament. „Das war ein Fehler. Es tut mir leid.“ Damit meinte er vor allem die Affäre um Cambridge Analytica, jene britische Firma, die mithilfe der Daten von Millionen Facebook-Nutzern offenbar die Brexit-Entscheidung und den US-Präsidentschaftswahlkampf beeinflusst hat.
Die Befragung von Zuckerberg sollte ein Scoop für die EU-Parlamentarier werden. Es wollten so viele von ihnen zu Wort kommen, dass Zuckerberg am Ende nur eine viertel Stunde Zeit blieb, um zu antworten. Gut für ihn: So konnte er sich aussuchen, auf welche Fragen er antwortete. Das Wort „sorry“ fiel oft. Und er ist nicht der einzige Facebook-Angestellte, der die öffentliche Entschuldigung mittlerweile beherrscht. Auch Tina Kulow wirbt um Verständnis. „Wir in Deutschland und unsere Kollegen in Europa waren dafür, dass wir die Türen aufmachen sollten“, beteuert die Kommunikations-Managerin des Unternehmens, die unter anderem für die deutschsprachigen Länder zuständig ist. Doch andere im Konzern seien vorsichtiger gewesen. „Da mussten wir Überzeugungsarbeit leisten.“
Kulow sprach im März mit dem PR Report – ein paar Tage, bevor die Affäre um Cambridge Analytica das US-Unternehmen erschütterte. „Die Stimmen des Monsters“ titelt das Branchenmagazin. In dem Interview gibt sich die Sprecherin reumütig, gesteht Fehler ein. Ihre Botschaft: Unser Unternehmen ist jung. Wir lernen noch. Es wird besser. Ihr werdet schon sehen.
Facebook hat den Schalter umgelegt und fährt eine PR-Offensive. Dazu gehören nicht nur die öffentlichen Auftritte von Zuckerberg, wie neulich schon vor dem US-Kongress. In der vergangenen Woche hat Facebook auch eine weltweite Diskussionsreihe gestartet, die zeigen soll, dass sich auch andere Verantwortliche der Debatte stellen.
Wir werden immer Fehler machen
Passenderweise ging es in Deutschland los. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ärgert Facebook schließlich besonders, da es das Unternehmen zwingt, mehr zu tun, als es die Hausordnung von Facebook vorsieht. Zum Start des „Forums: Gemeinschaftsstandards“ am 17. Mai in Berlin flog Monika Bickert ein. Die Juristin hat für die US-Regierung gearbeitet. Bei Facebook ist sie „Head of Global Policy Management“.
Auch Bickert warb um Verständnis: Die Löschtrupps wachsen, damit aber auch die Regeln. „Wir haben Leute mit verschiedenen Hintergründen in verschiedenen Regionen und ihre Entscheidungen müssen dieselben sein, ganz egal, ob ein Inhalt hier oder in den USA begutachtet wird“, sagte sie. Bickert diskutiert auch konkrete Fälle: Wann ist die nackte Brust einer Frau erlaubt und vor allem: wann nicht? Bickerts Credo: Die Löschtrupps von Facebook haben keinen einfachen Job. Sie werden immer Fehler machen.
Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland, Christian Mihr, der mit Bickert diskutierte, war angetan. „Ich habe den Eindruck, Facebook verändert sich“, sagte er. „Dieselben Facebook-Vertreter, die ich vor drei, vier Jahren hinter verschlossenen Türen gesehen habe, reden jetzt öffentlich. Und sie reden auch anders.“
Wie Google, nur zehn Jahre später
Facebook vernetzt sich zudem mit der Medienszene. Spiegel-Online-Geschäftsführer Jesper Doub wechselt gerade als „Director of News Partnerships“ zu Facebook. Schon vor Jahren hatte das Unternehmen einen Social-Media-Manager der ARD angestellt. Und: Der Konzern finanziert der Hamburg Media School künftig einen Studiengang, der Journalisten fit fürs Digitale machen soll – ein Wohlfühlpaket, bei dem sogar Reisekosten inklusive sind.
Letztlich reagiert Facebook wie Google, nur zehn Jahre später. Google, das ein paar Jahre älter ist als Facebook, hatten die Debatten um die „Datenkrake Google“ und das Abfilmen von Häuserfassaden dazu getrieben, sich ein wenig zu öffnen und seine Teams für die Öffentlichkeitsarbeit aufzustocken.
Facebook hat die anhaltende Debatte um Hass-Inhalte samt Schlagzeilen wie „Das asoziale Netzwerk“ getrieben. Die Affäre um Cambridge Analytica kommt obendrauf.
Kommunikations-Managerin Tina Kulow jedenfalls hat ihr Team ausgebaut und verspricht noch mehr Transparenz. Die öffentlichen Auftritte bleiben aber streng kontrolliert: Als Monika Bickert Mitte Mai in Berlin sprach, waren Mitschnitte, etwa für Fernsehaufnahmen, nicht erlaubt. Auch nach der Diskussion waren Fragen an die eingeflogene Managerin vor dem Mikrofon unerwünscht: Sie habe in der Runde nun viel erzählt, was bald auch im Netz stehe – bei Facebook.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wohnungslosigkeit im Winter
Krankenhaus schiebt Obdachlosen in die Kälte