Medien: Eine Perle für Mannheim
Große Zeitungsverlage lehnen ihn ab, für viele Medienmacher:innen ist er die Zukunft: der gemeinnützige Journalismus. Klingt wahnsinnig unsexy, ist es aber nicht. Das zeigt zum Beispiel das Magazin „Bloq“ aus Mannheim.
Von Anna Hunger
Die erste richtig gute Idee haben ihnen die Corona-Leugner versaut. „Das Magazin für provinzielles Querdenken“ hätte ihr Heft ursprünglich heißen sollen. „Dann kamen Corona und die Querdenker“, sagt Daniel Grieshaber, 54, Journalist, der mit einer kleinen Mannschaft ein eigenes Print-Magazin aus der Taufe hob. Das Heft heißt jetzt „Bloq – das Magazin für regionale Weitsicht“, erscheint in Mannheim und berichtet mit großen Reportagen und kleinen Perlen aus der Quadratestadt und der Region. Das liest sich nicht nur richtig gut, „Bloq“ und seine Macher:innen sind noch dazu ein neuer Stern im gemeinnützigen Medienuniversum.
Journalismus liegt im Sterben? Mitnichten. Wo große Tageszeitungs-Verlage angesichts sinkender Abo- und Werbeeinnahmen wenig mehr Ideen haben, ihr Geschäftsmodell zu retten, als Konsolidierung sowie Konzentration, wächst das Feld des Non-Profit-Journalismus. Der Gedanke dahinter: ohne Profit-Interessen die immer größer werdenden Lücken zu füllen, die etablierte Verlage hinterlassen. „Bloq“ ist da ein gutes Beispiel. Seine Macher:innen haben sich die Entstaubung des Lokaljournalismus auf die Fahnen geschrieben.
Endlich guter
Journalismus
„Ludwigshafen ist hässlich, Mannheim schmuddelig, Heidelberg versnobt und der Odenwald sowieso die Hölle – damit wäre ja alles gesagt über die Rhein-Neckar-Region“, steht auf der „Bloq“-Homepage. „Wir sind überzeugt: Es gibt so viel mehr zu erzählen und deshalb machen wir uns für euch auf die Suche nach den Geschichten hinter den Klischees und Schlagzeilen.“ Solche, die über die Berichterstattung des „Mannheimer Morgen“ und der „Rhein-Neckar-Zeitung“ hinausgehen.
Daniel Grieshaber sitzt mit seiner Kollegin Sarah Weik und einer Menge Zimmerpflanzen in einem hellen Großraumbüro einer Agentur. Theresa Horbach ist per Zoom zugeschaltet. Alle drei kommen aus dem Journalismus: ganz klassisch mit Volontariaten, freier Mitarbeit, angestellt in Redaktionen diverser Zeitungen. Und alle drei merkten auf ihren Wegen, dass sie anderen Journalismus machen wollten. Keine Lust mehr auf schnelle Termine – hin, weg, schreiben und zu viele Fragen offen lassen. „Was ich so erschreckend fand“, sagt Sarah Weik über ihre Redaktionszeit, „war, wie viel Macht Anzeigenkunden haben“. Da musste doch mehr gehen: ohne hierarchische Verlags-Strukturen, mit mehr Zeit für zweite, dritte oder auch mal vierte Gedanken. Und so reifte über die Zeit die Idee, ein eigenes Magazin herauszugeben. Mit Tiefgang, ein Themenheft, das nicht nur schön aussieht, sondern kritisch an regionale Themen herangeht. Qualitätsjournalismus statt Standortmarketing.
„Wir wissen, dass wir nicht reich werden, darum geht es uns auch nicht“, sagt Daniel Grieshaber. Deshalb haben er und seine Kolleg:innen, ähnlich wie Kontext, einen gemeinnützigen Verein gegründet, der nicht nur ihr Heft herausgibt, sondern auch Schulprojekte zu Medienkompetenz anbietet. „Das war natürlich ein Zittern, ob wir die Gemeinnützigkeit bekommen“, sagt Sarah Weik. „Ist ja nicht selbstverständlich, dass das klappt.“ Offenbar aber, erzählt sie, seien die Mannheimer Finanzbeamten in dieser Hinsicht offen. Geholfen habe auch, dass es bereits andere gemeinnützige Journalismus-Projekte gibt. Wie groß das Interesse an diesem neuen Finanzierungsmodell ist, das Recherche von Profitinteressen abkoppelt, zeigte sich kürzlich an der Ostsee. Der Verein „Netzwerk Recherche“ und die Rechercheplattform „Correctiv“ hatten Non-Profit-Medienmacher:innen zum Vernetzungstreff eingeladen. Vom Ein-Mann-Blog, dem es stinkt, dass Kolleg:innen bei Lokalterminen nie bis zum Ende bleiben, bis zur Idee eines begehbaren virtuellen Dorfes, wo keine Lokalzeitung mehr hinkommt. Rund 20 Projekte, darunter als alter Hase auch Kontext, waren vertreten. Sie alle warten darauf, dass Journalismus aus sich selbst heraus gemeinnützig sein kann. Momentan ist das in Deutschland noch nicht der Fall und nur über Umwege wie Bildungsangebote zu machen.
Zwar hat die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag geschrieben: „Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“, weil auch in der Politik langsam die Erkenntnis reift, dass Demokratie funktionierenden Journalismus braucht. Doch bewegt hat sich noch nicht viel. Das „Bloq“-Magazin hält derweil die Fahnen der Gemeinnützigkeit im Raum Mannheim hoch, wie „Karla“ in Konstanz, die „Relevanzreporter“ in Nürnberg oder „Rums“ in Münster.
Von Jungbusch, Wald-bewohnern und Autoposern
Von „Bloq“ gibt es mittlerweile zwei Ausgaben und die sind gelungen. Das Layout außergewöhnlich, die Fotografie abgefahren, die Texte lebendig und sorgfältig. Das Portrait über Wolfgang, der als lebende Statue durch Europa gereist ist und jetzt im Wald wohnt. Die Geschichte über Heidelberger Hip-Hop-Ikonen. Oder die Reportage aus dem Jungbusch, dem buntesten Viertel Mannheims, das sich in Gentrifizierung auflöst. Die „Bloq“-Kollegin Anna Suckow war für Heft eins mit Autoposern unterwegs, die sich zu Rennen treffen. „Sie war da hochschwanger“, erzählt Daniel Grieshaber und kann heute darüber lachen. „Wir saßen dauernd am Handy und haben gehofft, dass sie da heil rauskommt.“ Kam sie. Und die Geschichte über die Rennfahrer ist klasse. Erhältlich ist „Bloq“ unter bloqmagazin.de und in inhabergeführten Buchhandlungen der Region. „Wir versenden auch nach Stuttgart“, sagt Grieshaber. Und zwinkert.
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