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Medien in der UkraineEinfach abgeknipst

Drei TV-Sender werden auf Anweisung des Staates blockiert – ohne Gerichtsbeschluss. Sie werden beschuldigt, russische Propaganda zu verbreiten.

Ukraine: Sitz des Fernsehsenders 112.ua In Kiew – auch Newsone und Zik wurden mit Sanktionen belegt Foto: ZUMA Press/imago

Kiew taz | Der ukrainische Präsident Volodimir Selenski und der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine haben am Dienstag die ukrainischen Fernsehsender 112.ua, Newsone und Zik mit Sanktionen belegt. Ab sofort müssen somit ukrainische Internetprovider und Anbieter von Kabelfernsehen diese Sender blockieren. 1500 Arbeitsplätze sind von dem faktischen Verbot der Sender betroffen.

Die sanktionierten Sender gehören formal dem Abgeordneten Taras Kosak von der russlandfreundlichen „Oppositionsplattform Für das Leben“. Tatsächlicher Besitzer, so die Kyiv Post, ist Viktor Medwetschuk, der bekannteste prorussische Politiker des Landes und gleichzeitig ein enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Das Internetportal Ukrajinska Prawda berichtet unter Berufung auf Quellen im Sicherheits- und Verteidigungsrat sowie dem Inlandsgeheimdienst SBU, dass Medwetschuks Fernsehkanäle aus den ostukrainischen „Volksrepubliken“ finanziert würden.

Die Ukraine unterstütze die Meinungsfreiheit, twitterte Präsident Selenski. „Aber keine Propaganda, die vom Aggressorland finanziert wird und den Weg der Ukraine Richtung EU und euroatlantische Integration untergräbt“. „Die TV-Müllmänner von Medwetschuk abzuschalten war wohl eine der besten Entscheidungen der jüngsten Zeit“ kommentierte der Regisseur Oleg Sentsov das Verbot. Auch Mustafa Najem, ehemaliger Aktivist der Bewegung „Stoppt die Zensur“, steht hinter den Sanktionen.

Ohne Gerichtsbeschluss

Abgelehnt wird das Sendeverbot hingegen vom Nationalen Journalistenverband. Die Sperrung der Sender ohne Gerichtsbeschluss, so deren Vorsitzender Sergiy Tomilenko, „ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit“. Diese Entscheidung der ukrainischen Machthaber sei „ein Schock“ für internationale Organisationen, die sich mit dem Schutz von Journalisten beschäftigten und für Meinungsfreiheit einträten. Man werde die OSZE sowie internationale Journalistenorganisationen über diese „Ausnahmesituation“ informieren. Der Gewerkschaftsaktivist Wolodimir Tschemeris sieht im Verbot oppositioneller TV-Kanäle gar einen „Umsturzversuch des kleinen Napoleon“.

Derzeit senden die gesperrten Kanäle über Youtube. Doch es ist fraglich, wie lange sie das noch können. Am 28. Januar 2021 hatte Youtube den Kanal des Abgeordneten Olexandr Dubinski gesperrt. Dubinski, dem die US-amerikanischen Behörden eine Einmischung in die amerikanischen Wahlen vorwerfen, war am 11. Januar vom US-Finanzministerium auf eine Sanktionsliste gesetzt worden.

US-Bürger*innen und US-Unternehmen ist es nicht erlaubt, mit in den USA sanktionierten Personen Geschäftsbeziehungen zu unterhalten. Da Präsident Selenski das Außenministerium angewiesen hat, auch im Ausland Sanktionen gegen die in der Ukraine gesperrten Sender zu erwirken, könnte auch deren Youtube-Auftritt ein baldiges Aus drohen.

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1 Kommentar

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  • 1G
    13566 (Profil gelöscht)

    Verständnis habe ich schon für diese Aktion.



    Aber wenn die Ukraine sich ernsthaft auf den Weg in den Westen machen will, muss sie sich auch an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit halten.



    Auch in diesem Fall.



    Selenski mag zwar Komiker sein, aber eine Umgehung der Gerichte in dieser Sache ist nicht lustig.