Medien in Israel: Bewegung in Netanjahus Netzwerk
Der regierungstreue Lobbyist Rami Sadan wird in Israel TV-Nachrichtenchef. Gleich darauf äußert er sich rassistisch.
Die Ernennung des regierungstreuen Lobbyisten auf einen so zentralen Posten in Israels Medienlandschaft sorgte nur kurz für Protest. Ohne Absicht lenkte Sadan selbst die öffentliche Debatte in eine andere Richtung. „So wie Sie, die Eliten, verabscheue ich die Schas und diesen Dieb Arie Deri“, erklärte Sadan im Verlauf einer Vorstandssitzung des Senders. Schas ist die Partei der orthodox-orientalischen Juden in Israel und Deri Chef der Partei.
Der Fauxpas Sadans ist eine schlechte Nachricht für die innerisraelische Koexistenz von Juden orientalischer Abstammung und Aschkenasen, den Juden mit europäischen Wurzeln. Für die kritische Berichterstattung im Land könnte der Fauxpas ein Lichtblick sein, sollte Sadan sich selbst damit zu Fall bringen und seinen neuen Posten gleich wieder verlassen müssen.
Ein Programm schwebe ihm vor, mit dem auch „Massuda aus Sderot“ etwas anfangen könne. Der arabische Frauenname steht stellvertretend für die aus Marokko eingewanderte Jüdin, die in Sderot, also in der Peripherie, wohnt. Höhere Einschaltquoten sind Sadans Ziel durch intellektuell weniger anspruchsvolle Inhalte.
Damit gießt er Öl ins Feuer des latent schwelenden Konflikts zwischen der „aschkenasischen Elite“ und den „orientalischen Underdogs“. Schas-Chef Arie Deri mahnte, den Rassismus bei den Wurzeln zu packen, bevor es zu spät ist.
Channel 10 hat latente Geldsorgen
Aus Perspektive der konservativen Likud-Partei hätte Sadans Einstieg kaum schlechter laufen können. „Seit über dreieinhalb Jahren versuchen wir, einen unserer Leute in Channel 10 unterzubringen, warum nervt ihr uns jetzt mit so etwas?“, zitiert die liberale Haaretz einen „engen Verbündeten Netanjahus“ im Gespräch mit Deri.
Sadan leitete Mitte der 90er Jahre Netanjahus erste Wahlkampagne und übernahm später die Öffentlichkeitsarbeit für Sara Netanjahu, Ehefrau des Regierungschefs. Seine Wahl zum neuen Nachrichtenchef kam vor allem für die Mitarbeiter von Channel 10, eines Senders, den er in der Vergangenheit wiederholt kritisierte, überraschend. Israels Medien verbreiteten „mit Obsessivität“ und „Unproportionalität“ Geschichten über die Netanjahus, meinte Sadan, der von einer „pathologischen Krankheit“ sprach.
Einer der „pathologisch kranken“ Journalisten ist Raviv Drucker, Star der Politikredaktion von Channel 10 und ein lebhafter Kritiker Netanjahus. Als einen „Balance-Effekt zum Drucker-Effekt“ bezeichnete die Wirtschaftszeitung Globes die Ernennung Sadans zum Nachrichtenchef des kritischen TV-Senders.
Auch Haaretz vermutet, dass Sadans Berufung der Versuch der Mediengesellschaft sei, „es mit Drohungen gegen sie aufzunehmen“. Channel 10 hat latente Geldsorgen. Vor 15 Jahren ging der Fernsehkanal auf Sendung und avancierte binnen kürzester Zeit zum wichtigsten elektronischen Medium Seite an Seite mit dem öffentlichen Sender und dem zweiten TV-Sender Channel 2.
Tageszeitung und Onlineportal für Netanjahu
Zu den Eigentümern gehört der amerikanische Geschäftsmann Ron Lauder, Chef des Jüdischen Weltkongresses, und die israelische Unternehmerfamilie Recanati. Channel 10 ist ein Verlustgeschäft. Die Eigentümer halten an ihren Anteilen fest, weil der Sender „ihnen bei ihren Beziehungen zur Regierung hilft“, kommentierte Haaretz.
Umgekehrt würde Netanjahu sein Netz in Israels Medien noch enger knüpfen, wenn Sadan am Ende doch den für ihn vorgesehenen Posten einnimmt.
Als unverhüllt – nicht nur regierungsfreundlich, sondern explizit pro Netanjahu – gilt die inzwischen auflagenstärkste israelische Tageszeitung Israel Hayom, die sich allein aus Anzeigen und aus der Tasche des amerikanischen Milliardärs Sheldon Adelson finanziert.
Strikt auf Linie des mächtigsten Politikers im Land ist auch das Onlineportal Walla. Shaul Elovitch ist dessen Alleininhaber und gleichzeitig Chef der monopolistischen Telefongesellschaft Besek. Als solcher baut er auf die Gunst der Netanjahu-Regierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück