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Max-Ophüls-Nachwuchsfilmfest SaarbrückenVerdammt schwere Gefühle

Die diesjährige Auswahl des Filmfestivals Max Ophüls Preis offenbarte ein starkes Bedürfnis nach Authentizität und Emotion

Regisseur Lauro Cress (M) gewinnt mit „Ungeduld des Herzens“ den Preis Bester Spielfilm des 46. Max-Ophüls-Festivals Foto: Oliver Dietze/dpa

Technik kann ein Segen sein – wenn man sie zu bedienen weiß. Im soeben beim 46. Filmfestival Max Ophüls Preis mit den Ehrungen für die Beste Regie und das Beste Drehbuch ausgezeichneten „Bagger Drama“ steckt sie schon im Titel: Ein Familienbetrieb, bestehend aus Vater Paul, Mutter Conny, erwachsenem Sohn Daniel und einer – trotz körperlicher Absenz – zumindest emotional spürbaren, tödlich verunfallten Tochter, hat es mit großen, technischen Geräten. Man führt, repariert und verleiht Bagger. Und die Leidenschaft für die Hebelautomatik macht auch vor dem Privatleben nicht Halt. So lässt Daniel nicht nur die Schaufeln Ballett tanzen, sondern fährt per Knopfdruck auch gleich noch den Schreibtisch hoch- und das Krankenhausbett runter oder öffnet das Garagentor.

Doch der Debütspielfilm des Schweizer Regisseurs Piet Baumgartner legt den Fokus eigentlich auf besagtes „Drama“ – denn hinter dem Vorsprung durch Technik steckt verdrängte Trauer um den Verlust der Tochter/Schwester, um die schmerzhafte Lücke, die niemand in der Familie wirklich formulieren möchte – eher trennt man sich und trauert allein. Baumgartners Bagger-Idee rettet den sensiblen Film vor zu viel erzählerischer Konvention. Dass Daniel irgendwann einen anderen, stattlichen Baggerführer küsst, könnte man zudem fast als „Anbaggern“ bezeichnen. Und die pittoresken roten Baggerschaufeln glänzen dazu in der Sonne.

Der deutschsprachige Nachwuchs, der eine Woche lang in Saarbrücken Spiel- und Dokumentarfilme präsentierte, zeigte auch in anderen Werken einen eher introspektiven, privaten, sensiblen Blick. Die Stefan-Zweig-Adaption „Ungeduld des Herzens“ von Lauro Cress, die sowohl mit der Auszeichnung für den Besten Film als auch mit den Preisen für den „Besten Schauspielnachwuchs“ (Giulio Brizzi und Ladina von Frisching) geehrt wurde, gibt die Zweig’sche Liebesgeschichte des Soldaten, der sich in eine querschnittsgelähmte Frau verliebt, zart wieder, modernisiert sie in manchen, wenn auch nicht in allen Bereichen und bereichert sie um Motocross und eine heutige, genderunabhängige Empfindsamkeit. Die beiden Haupt­dar­stel­le­r:in­nen sind dabei absolut liebenswert – kein Wunder, dass sie füreinander Feuer fangen.

„Weak spot“ für cineastische Beziehungsklärungen

Aber auch die Festival-Besucher:innen schienen ihren „weak spot“ für cineastische Beziehungsklärungen umarmt zu haben: Sie zeichneten das Drama „Ich sterbe, kommst du?“ mit einem Publikumspreis aus, zusätzlich gab es dafür eine Anerkennung als „gesellschaftlich relevanter Film“. Benjamin Kramme erzählt in seinem Debüt von der an Krebs erkrankten, handfesten Nadine, die ihre letzten Lebenswochen in einem Hospiz verbringt und dabei versucht, irgendeine Art von Verhältnis zu ihrem kleinen Sohn aufrechtzuerhalten – solange es geht.

Extrem anrührend, nachvollziehbar und ehrlich, bricht der Film ebenfalls kaum mit erzählerischen oder inhaltlichen Konventionen und Tabus – stattdessen ordnet er sich ganz seinem Sujet unter und konzentriert sich somit auf das vielleicht Wichtigste: auf diese verdammten, schweren Gefühle von Liebe, Verlust, Trauer und die herzzerreißende Angst, vom eigenen Kind vergessen zu werden.

Ob man daraus nun schon einen Generationenkonflikt ablesen möchte oder nicht: Der Eröffnungsfilm in Saarbrücken, „Muxmäuschenstillx“ von und mit Jan Henrik Stahlberg, eine Fortsetzung der radikalen Low-Budget-Diskursparodie „Muxmäuschenstill“ aus dem Jahr 2004, wirkte gegen das anscheinend momentan besonders starke Bedürfnis nach Authentizität und Emotion fast ein bisschen wie aus der Zeit gefallen.

Lockt man mit einer ironischen Hauptfigur über 50 überhaupt jemanden unter 30 hinterm Ofen hervor? Andererseits: Öfen gibt’s ja auch immer weniger.

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