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Maurice Höfgen Was kostet die Welt?Zentralbanken aller Länder, vereinigt euch!

Foto: Olaf Krositz

Wegen Donald Trump reden alle über Zölle. Wochenlang hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Trump verhandelt, damit auf Exporte möglichst wenig Zölle anfallen. Das Ergebnis des Zolldeals: Um durchschnittlich 14 Prozent verteuern sich europäische Ausfuhren in die USA. Eine schreckliche Nachricht, gerade für die deutsche Exportindustrie, aber immerhin kein Zollkrieg, so der Tenor der Schlagzeilen.

Worüber keiner redet: Wechselkurse. Seit Jahresbeginn ist der US-Dollar im Vergleich zum Euro um rund 12 Prozent gefallen. Heißt: Europäische Waren sind seit Jahresbeginn in US-Dollar – und damit in den USA – 12 Prozent teurer geworden. Noch bevor die 15 Prozent Zoll obendrauf kommen!

Dabei besagt die ökonomische Theorie eigentlich, dass der US-Dollar hätte steigen müssen. Zum einen, weil die US-Zentralbank ihren Leitzins nicht gesenkt hatte, im Gegensatz zur Europäischen. Geldanlegen sollte sich in den USA also mehr lohnen als in der EU. Zum anderen, weil der Zolldeal die Handelsbilanz mit der EU ausgleichen soll, indem die inländische Produktion in den USA bevorteilt wird und die EU sich verpflichtet, deutlich mehr Energie und Rüstung aus den USA zu kaufen. Im Klartext: mehr Nachfrage nach US-Dollar, weniger Nachfrage nach Euro – der US-Dollarkurs müsste steigen.

Die Wechselkurse von Währungen lassen sich aber nicht mit realen Unterschieden in der Handelsbilanz, dem Zinsniveau oder den Inflationsraten erklären. Auf den Finanzmärkten dominieren Panik, Spekulation und Herdenverhalten. Panik herrscht davor, dass Trump die amerikanische Wirtschaft abschmieren lässt. Spekuliert wird darauf, dass die US-Zentralbank dagegen drastisch die Zinsen senkt. Investoren verschieben also Abermilliarden von US-Dollar in den Euro. Die Folge: Dollar runter, Euro hoch. Bis heute gibt es kein ökonomisches Modell, das derartige Wechselkursveränderungen verlässlich prognostizieren könnte.

Schon in den 1930er Jahren sagte der berühmte Ökonom John Maynard Keynes: Solange monetäres Chaos herrsche, sei es sinnlos, über Zölle zu verhandeln. Solange Währungen in kürzester Zeit um zweistellige Prozente auf- oder abgewertet werden und damit die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Industrien zerstören oder beflügeln können, sind Zollabkommen auf Treibsand gebaut. Und dabei sind die Schwankungen zwischen dem US-Dollar und dem Euro noch gar nichts im Vergleich dazu, wie kleinere Währungen in der Vergangenheit aufgeblasen und fallengelassen wurden.

Die Krux: ein einzelnes Land kann sich dagegen nicht wehren. Eine Zentralbank kann zwar immer mehr Geld drucken, um damit andere Währungen zu kaufen – ergo: die eigene Währung abwerten. Aber nicht andersherum. Weil ihre Reserven an Fremdwährungen zwangsläufig begrenzt sind. Was also tun?

Alle reden über Zölle, fast niemand über Wechselkurse zwischen den Währungen. Dabei ist ihr Einfluss immens

Die Zentralbanken müssen zusammenarbeiten. Würden sie sich verabreden, ihre Wechselkurse nach festgelegten Regeln – etwa Veränderungen in der Handelsbilanz oder dem Zinsniveau – anzupassen und auf den Finanzmärkten gemeinsam diesen Wechselkurs mit Käufen in eigener Währung verteidigen, käme dagegen keine Spekulantenherde der Welt an. Kooperierende Zentralbanken sind deshalb wirkungsvoller als jeder Versuch, die Finanzmärkte mit Regeln und Verboten zu bändigen. In Anlehnung an Marx und Keynes könnte man sagen: Zentralbanken aller Länder, vereinigt euch!

Maurice Höfgen, 28, ist Autor und Ökonom. Hier überlegt er einmal monatlich, wie sich wirtschaftliche Utopien umsetzen ließen.

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