Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit: Das Ende „meiner Zeit“

Im Jahr 2040 werden immer mehr Männer aus der Macht und der Verantwortung gedrängt. Es ist wirklich nicht alles schlechter als früher.

Ein Mann mit tätowiertem Gesicht steht vor einem Zaun

Der BWL-Student der Zukunft Foto: westend61/imago

Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon von der Gegen­wart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein Jahr voraus

Wir schreiben das Jahr 2040. Ich habe das Gefühl, dass eine Gegenwart, in der BWL-Studierende im Gesicht tätowiert sind wie zu meiner Zeit nur Unholde und Matrosen, beim besten Willen nicht mehr meine Zeit ist. „Zu meiner Zeit“ ist seit jeher eine verräterische Formulierung, denn mit ihrem immanent leberwurstigen Unterton impliziert sie klar, dass „meine Zeit“ eigentlich vorbei ist.

Das ist ja auch korrekt. Ich führe nicht mal mehr ein Drohnendasein. Eine Drohne dient wenigstens noch einem Zweck, nämlich dem, die Königinnen zu begatten. Doch dafür sind jetzt ausschließlich die „Spermster“, junge Befruchter aus dem Edelkaffeemilieu um „The Wank Coffee Roasters“ zuständig, während ich damals sofort den Vorschlag des Ministeriums für Geschlechtergerechtigkeit angenommen hab.

Jeder über 50-Jährige, der sich vasektomieren lässt, bekommt zehn Euro Rente mehr, sowie einmalig einen 200-Euro-Gutschein für den Baumarkt. Seit 2030 ist diese Maßnahme Teil des „Pakets der sozialen Vernunft“, das ältere Männer sukzessive aus der Macht, aber auch aus einer Verantwortung entlässt, der sie ohnehin nie gewachsen waren. Das hat die Geschichte nachdrücklich bewiesen.

Zunächst war nur eine Art Funktionärsführerschein, im Volksmund „Penis-Pappe“, geplant, um die Einflüsse charakterlich ungeeigneter Personen in Politik, Sport, Kultur, Justiz, Medien und Wirtschaft einzuschränken. Doch die Gemeinten stellten sich die Dinger einfach selbst aus. Also musste ein restriktiveres Instrument her: Entlassung, Entmündigung und Einschläferung – wer nicht hören will, muss sterben.

Nun sitze ich seit sieben Jahren zu Hause und helfe meiner Hausnymphe Apocalypso beim Bügeln der Taschentücher. Ich habe ja so viel Zeit, schließlich veröffentliche ich nicht mehr. Längst gilt meine Perspektive pauschal als uninteressant. Immerhin konnte ich sie bereits jahrzehntelang verbreiten; es ist nur fair, dass jetzt auch mal Andere dran sind. Ich darf sogar weiterleben, weil ich zum Glück nie besonders wichtig war.

Nach heutigen Maßstäben wirkt es allerdings auch absolut bizarr, dass man selbst noch in den 2020er Jahren Typen, die man auf der Straße noch nicht mal nach dem Weg fragen würde, die Geschicke ganzer Imperien in die altersfleckigen Pfoten legte. Nein, heute ist wirklich nicht alles schlechter als zu meiner Zeit.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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