Massive russische Luftangriffe: Wieder um den Schlaf gebracht
Die ukrainische Hauptstadt Kyjiw wird in der Nacht erneut mit russischen Drohnen und Raketen angegriffen. Wieder gibt es Tote und Verletzte.

Bei dem Angriff, so die Ukrajinska Prawda unter Berufung auf die lokale Militäradministration und Kyjiws Bürgermeister Vitali Klitschko, seien eine Frau getötet und sechs Personen verletzt worden. Betroffen, so die Militäradministration des Gebietes Kyjiw, waren acht Rayons der Stadt. Es entstand großer Sachschaden – an Autos, Büroräumen, Lagerhallen sowie bewohnten und unbewohnten Häusern, berichtet die Militärverwaltung von Kyjiw. In Odessa, so das Portal strana.news, seien in der Nacht zum Dienstag durch einen russischen Angriff zwei Personen getötet und neun weitere verletzt worden.
Wieder einmal waren es vor allem vier Geräusche, die die Bewohner von Kyjiw in dieser Nacht um den Schlaf brachten. Meistens fängt es nach Mitternacht mit dem leisen Surren eines Kleinmotors an, das sich wie ein Moped anhört. Nicht umsonst nennt man in den ukrainischen Telegram-Kanälen Drohnen Mopeds.
Dem folgt meist Maschinengewehrfeuer mobiler Einheiten von Militärs, die die Drohnen versuchen abzuschießen. Mitunter wird auch aus schweren Kanonen, offenbar Luftabwehr, auf die Drohnen geschossen. Wenn die Drohne nicht abgeschossen werden konnte, ist eine Explosion zu hören – ein dumpfes Donnern in der Ferne oder ein Krach in der Nähe, der die Fensterscheiben erzittern lässt.
Gebete in der Nacht
Mehrere Stunden waren in der Nacht zu Dienstag immer wieder Einschläge, Maschinengewehrfeuer und Luftabwehrraketen zu hören. Niemand schläft in den Stunden nach Mitternacht. In den Wohnhäusern öffnen sich immer wieder die Türen, Nachbarn erzählen, was sie auf Telegram erfahren haben. Irgendwo in einer Nachbarwohnung liest eine Frau die neusten Nachrichten der ukrainischen Telegram-Kanäle vor, aus einer anderen Wohnung hört man eine Frau beten.
„Wieder eine schlaflose Nacht“ kommentierte Katarína Mathernová, Botschafterin der EU in der Ukraine, die nächtlichen Angriffe. In unmittelbarer Umgebung der EU-Vertretung, so Mathernová, sei ein Gebäude von Drohnen angegriffen worden. In einem Post auf X veröffentlichte sie Fotos von Löscheinsätzen der Feuerwehr.
„Wieder war es sehr laut“, berichtet der in Odessa lebende Bildhauer Michael Reva am Telefon. „Drohnen haben eine Geburtsklinik angegriffen und Häuser, in denen alte Menschen leben. Russland beschießt Krankenhäuser und Wohnhäuser. Dann sagen sie auch noch, dass sie uns lieben. Was für ein Zynismus.“
Glücklicherweise, so Gennadi Truchanow, Bürgermeister von Odessa, sei niemand verletzt worden. „Aber allein die Tatsache, dass eine Einrichtung, in der Leben geboren wird, angegriffen wurde, entsetzt in ihrer Grausamkeit“, schreibt Truchanow auf dem Portal strana.news.
Inakzeptable Forderungen
Auch ukrainische Drohnenangriffe auf das russische Grenzgebiet Belgorod gehen weiter. Dabei, so berichtet der Gouverneur Wjatschelaw Gladkow auf Telegram, sei am Montag ein 8-jähriger Junge verletzt worden. Bei einem ukrainischen Angriff auf eine Tankstelle in Belgorod seien ein Mensch getötet und vier weitere verletzt worden.
Wenig Bewegung gibt es beim Verhandlungsprozess. Die russische Seite habe bei den Verhandlungen in der Türkei eine Liste inakzeptabler Forderungen vorgelegt, zitiert das Portal censor.net den ukrainischen Außenminister Andrij Syhiba. Das zeige erneut, dass es wichtig sei, den Druck auf Russland und alle, die Russland in diesem Krieg unterstützten, zu verstärken.
Das russische Portal lenta.ru zitiert Wladimir Medinski, Leiter der russischen Delegation bei den jüngsten russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul, mit den Worten, russische Bürger würden sich ein härteres Vorgehen gegen die Ukraine, einschließlich Einsätzen der Mittelstreckenrakete Oreschnik gegen die größten ukrainischen Städte, wünschen.
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