Massenproteste den vierten Tag in Folge: Militär verstärkt Repression

Myanmars Putschregime verbietet Versammlungen und verhängt Ausgangssperren. Wasserwerfer und Schlagstöcke kommen zum Einsatz – erste Schüsse fallen.

Von Polizeifahrzeugen aus werden Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt

In Naypyidaw setzte die Polizei am Montag Wasserwerfer gegen die De­mons­tran­tIn­nen ein Foto: Stringer/reuters

BERLIN taz | Am Dienstag ist die Polizei in Myanmar erstmals in größerem Stil gegen die Massenproteste vorgegangen. Diese hielten den vierten Tag in Folge an, obwohl zuvor Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten wurden. Von 20 Uhr, wenn allabendlich Zehntausende mit klapperndem Kochgeschirr und Autohupen protestieren und so den Putsch wie Geister traditionell verjagen wollen, gilt bis vier Uhr morgens eine Ausgangssperre. Verstöße gegen das Verbot können mit sechs Monaten Haft bestraft werden.

Einige De­mons­tran­t:in­nen hatten sich schon mit Regenkleidung auf den Einsatz von Wasserwerfern vorbereitet, wie Bilder auf der Weltseite der Zeitung Frontier zeigten. Aus der zweitgrößten Stadt Mandalay kursierten Bilder, die denen aus Hongkong im letzten Jahr glichen: Mit Schirmen schützten sich De­monstran­t:in­nen vor der Polizei, die brutal losknüppelte. Es gab mehrere Verletzte. Rund 20 Personen sollen festgenommen worden sein. Hier gab es auch zum Teil gewaltsame Gegenwehr.

In der Hauptstadt Naypyidaw, wo viele Beamte leben und es nur selten Proteste gibt, setzte die Polizei drei Wasserwerfer ein. Laut der Nachrichtenwebseite Myanmar Now wurden 50 Schüsse abgefeuert. Eine 19-Jährige wurde lebensgefährlich am Kopf getroffen, wie in sozialen Medien kursierende Bilder zeigten. Zuerst hieß es, sie sei getötet worden.

De­mons­tran­t:in­nen identifizierten den Polizeischützen anhand seines Facebook-Profils und prangerten ihn an. Myanmar Now berichtete unter Berufung auf einen Krankenhausarzt, dass eine zweite Person lebensgefährlich verletzt wurde.

Einige Polizisten schließen sich Protesten an

Viele der von einer Kampagne zivilen Ungehorsams bestreikten Krankenhäuser hatten sich mit der Bereitstellung von Krankenwagen auf verletzte De­mons­tran­t:in­nen vorbereitet. In den sozialen Netzwerken kursierten Tipps, wie man Verletzungen durch Wasserwerfer verhindert und sich auf Demonstrationen und bei Festnahmen verhält.

Vereinzelt gab es Fälle, in denen uniformierte Polizisten zu den De­mons­tran­t:in­nen überliefen. Immer wieder ertönten Rufe, mit denen die Uniformierten als „Polizei des Volkes“ bezeichnet und damit zum Überlaufen aufgefordert wurden.

Zwei Übergelaufene wurden in Magway von der Menge der De­mons­tran­t:in­nen vor ihren Exkollegen geschützt, die sie festnehmen wollten. In der südlichen Kleinstadt Myeik belagerten am Abend De­mons­tran­t:in­nen eine Polizeiwache, in der ein Polizist wegen Sympathien mit der Protestbewegung von Kollegen gefangengehalten worden sein soll.

In der Metropole Yangon blieben die Proteste friedlich. Mit Straßensperren versuchte die Polizei, De­mons­tra­n:in­nen davon abzuhalten, die Innenstadt zu erreichen. Doch umgingen diese die Barrikaden zu Fuß.

Am Montagabend hatte sich der Putschführer und bisherige Armeechef, Genreal Min Aung Hlaing (64), erstmals öffentlich zum Staatsstreich vom Montag vor einer Woche geäußert. In seiner Ansprache im Staatssender wiederholte er die nicht bewiesenen Vorwürfe von Manipulationen der Parlamentswahl im November, bei der die militärnahe Partei USDP eine krachende Niederlage erlitten hatte.

Putschführer fordert Disziplin

Der General versprach Wahlen direkt nach einem einjährigen Notstand und beteuerte, die Situation sei anders als nach den Putschen in den Jahren 1962 und 1988. Zugleich betonte er, dass Disziplin nötig sei – was als Drohung gewertet wurde.

Der UN-Vertreter in Myanmar, Ola Almgren, forderte die Sicherheitskräfte auf, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten einschließlich der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten. „Der Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt ist inakzeptabel“, erklärte er. Am Freitag will der UN-Menschenrechtsrat zu einer Sondersitzung zum Thema Myanmar zusammenkommen.

Neuseeland erklärte am Dienstag die Beziehungen zu Myanmar wegen des Putsches für ausgesetzt. Die sozialdemokratische Premierministerin Jacinda Ardern sagte, es gelte ein Besuchsverbot für Angehörige der Militärführung aus Myanmar. Und Entwicklungshilfe werde nur für Projekte fortgesetzt, von denen auf keinen Fall das Militär nicht profitiere.

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