Massaker im syrischen Bürgerkrieg: Die Welt ist entsetzt
Von Clinton bis Annan: Westliche Politiker verurteilen den Angriff auf Al-Hula, bei dem am Freitag über 90 Menschen starben. Syriens Regierung weist die Schuld von sich. Die Kämpfe gehen weiter.
BRÜSSEL/NEW YORK/DAMASKUS dpa/afp | Das Massaker von Al-Hula an Zivilisten in Syrien mit mehr als 90 Todesopfern hat in der internationalen Gemeinschaft Entsetzen ausgelöst und die Rufe nach einem Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad verstärkt. „Die Internationale Gemeinschaft muss mit einer Stimme sprechen und ein Ende des Blutvergießens fordern“, schrieb die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in einer am Sonntag in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Gemeinsam müsse Assad zum Abgang gedrängt werden, um eine „demokratische Wende“ zu ermöglichen.
UN-Beobachter hatten am Samstag bestätigt, dass bei einem Artillerieangriff der Regimetruppen in der zentralen Provinz Homs mehr als 90 Menschen getötet worden waren, ein Drittel von ihnen Kinder. Die syrischen Staatsmedien machten dagegen am Sonntag Gruppen mit Verbindungen zur Terrororganisation Al-Kaida für das Massaker verantwortlich.
Der brutale Granaten- und Raketenbeschuss in der Ortschaft Al-Hula, der bereits am Freitag erfolgt war, hatte sich nach Augenzeugenberichten zunächst gegen einen friedlichen Anti-Assad-Protest gerichtet. Danach hätten die Truppen die Wohnhäuser im Ortsteil Taldo unter massives Artilleriefeuer genommen.
Bereits am Samstag machte sich weltweite Empörung Luft. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan verurteilten in einer gemeinsamen Stellungnahme am UN-Sitz in New York das „schreckliche und brutale Verbrechen“ scharf. Annan wird an diesem Miontag erneut in Damaskus erwartet. US-Außenministerin Hillary Clinton forderte in einer Erklärung die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und „seine Spießgesellen“ zu erhöhen. „Deren Herrschaft durch Mord und Angst muss ein Ende haben“, forderte Clinton.
Westerwelle fordert Konsequenzen
Bundesaußenminister Guido Westerwelle verlangte, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. „Es ist schockierend und empörend, dass das syrische Regime seine brutale Gewalt gegen das eigene Volk nicht einstellt“, hieß es in seiner Erklärung. Unicef-Sprecherin Sarah Crowe erklärte: „Dieses empörende Verbrechen gegen kleine Kinder, die nichts mit diesen Kämpfen zu tun haben, unterstreicht die erneute Dringlichkeit, eine Lösung für diesen Konflikt zu finden.“
Die syrische Führung hat jegliche Verantwortung für das Massaker in der Stadt Hula im Zentrum des Landes mit mindestens 92 Toten zurückgewiesen. „Wir weisen die Verantwortung für dieses terroristische Massaker gegen unser Volk vollständig zurück“, sagte ein Sprecher des syrischen Außenamts am Sonntag in der Hauptstadt Damaskus. Zur Untersuchung der Gräueltaten sei eine Kommission eingesetzt worden, die sich binnen weniger Tage dazu äußern solle.
Der Sprecher des Außenministeriums kündigte für Montag einen neuen Besuch des Syrien-Sondergesandten von Vereinten Nationen und Arabischer Liga, Kofi Annan, in Damaskus an. Der Friedensnobelpreisträger und frühere UN-Generalsekretär solle dort mit ranghohen Regierungsvertretern zusammenkommen. Syrien strebe eine „Rückkehr zum Dialog und an den Verhandlungstisch“ an, sagte der Sprecher. Annan hatte am Freitag mitgeteilt, eine neue Einladung nach Syrien zu prüfen.
Gefechte in Hama, Harasta und Damaskus
In der syrischen Rebellenhochburg Hama hat es am Sonntag schwere Gefechte zwischen Aufständischen und der Armee gegeben. In mehreren Stadtvierteln war schweres Gewehrfeuer der Regierungstruppen zu hören, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Die Armee hielt demnach auch die Rebellenhochburg Rastan weiter unter Beschuss. Auf die Stadt im Zentrum des Landes, die seit Wochen von Soldaten belagert wird, seien in der Nacht zwei Geschosse pro Minute abgefeuert worden. Weitere heftige Gefechte gab es demnach in der Stadt Harasta unweit von Damaskus.
In Damaskus selbst waren am Sonntagmorgen mehrere Explosionen zu hören. Bei einem Bombenanschlag auf ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte seien mehrere Insassen verletzt worden, teilte die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. Aktivisten in Syrien berichteten darüber hinaus von heftigem Gewehrfeuer im Umkreis der Kontrollpunkte des Ortes Kanaker bei Damaskus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“