Martin Walser klagt gegen Autoren: Grass Vorredner
Martin Walser möchte kein Nazi sein. In Hamburg trifft man sich deswegen vor Gericht. Es geht darum, wie deutlich man beim Thema Walser und Juden werden darf.
Hat Günter Grass mit seinem „Gedicht“ gegen Israel nur „nachgezogen“? So hat es Marcel Reich-Ranicki formuliert. Vorbild für Grass seien die antijüdischen Attacken Martin Walsers in dem Roman „Der Tod eines Kritikers“ gewesen. Insofern hat die Klage, die Walser bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg gegen den Autor Carl Wiemer angestrengt hat, eine aktuelle Facette. Es geht darum, wie deutlich man beim Thema Walser und die Juden werden darf. Der Schriftsteller wehrt sich gegen ein Flugblatt, das Wiemer 2011 bei einer Veranstaltung in Stuttgart verteilt hatte.
In der mündlichen Verhandlung (Urteil am 13. Juli) erzielte Wiemer nun einen Teilerfolg. Wenn Wiemer schreibe, Walser verfasse „Hetzreden“ gegen beispielsweise Reich-Ranicki und verbreite bis heute das „Gedankengut seiner Nazi-Mutter“, die im Frühjahr 1932 in die NSDAP eingetreten war, seien das zulässige Meinungsäußerungen, sagt die Vorsitzende Richterin Simone Käfer. Weil Walser „am öffentlichen Meinungskampf teilnimmt“, müsse er sich das gefallen lassen. Die Formulierung hingegen, Walser entstamme „einer altgedienten Nazi-Dynastie“, wird das Gericht wohl verbieten.
Wiemer, laut Selbstbeschreibung „leptosom, 1,97 Meter groß, stark untergewichtig“, argumentiert plausibel, wenn auch sein Tonfall etwas theatralisch Deklamierendes hat. Er beruft sich auf Matthias N. Lorenz’ Dissertation „Judendarstellung und Auschwitzdiskurs bei Martin Walser“. Auf der anderen Seite agiert Walsers Anwalt Hans-Jürgen P. Groth mit Bierruhe. Selbst dass ihn Wiemer als „geistig verroht“ bezeichnet, juckt ihn nicht, er wirkt vernünftig. Zur Überraschung des Gerichts bestreitet der Anwalt jedoch, sein Mandant Walser sei NSDAP-Mitglied gewesen. Dass es eine Mitgliedskarte gibt, bestreitet er nicht.
Wiemer hat auch mit anderen Mitgliedern der Familie Walser juristische Erfahrungen. Alissa Walser, die Tochter, ist mal erfolglos wegen der Bezeichnung „Literaturattrappe“ gegen ihn vorgegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter