Martin Schulz hat ein Buch geschrieben: Was ihm so wichtig ist
Mit einer Buchpräsentation im Berliner Ensemble versucht der SPD-Kanzlerkandidat wieder Schwung für seinen Wahlkampf zu bekommen.
Hätte Schulz seine Buchpremiere nicht an diesem Sonntagvormittag, sondern bereits Anfang des Jahres gegeben, wäre es bestimmt ein rauschendes Fest geworden. Die Begeisterung über den scheinbar so unverbrauchten SPD-Kanzlerkandidaten war damals grenzenlos. Hundertprozentig glaubten seine Parteifreunde an ihn. Plötzlich schien alles möglich. Selbst ein Kanzler Schulz.
Doch die kurzzeitige Euphorie, die Schulz im Frühjahr ausgelöst hat, basierte auf einer Imagination. Seine Kanzlerkandidatur diente als Projektionsfläche für die Sehnsucht auf einen grundlegenden Politikwechsel. Ein großes Missverständnis.
Begeisterungsstürme löst Schulz schon lange nicht mehr aus. Auch nicht an diesem Sonntagvormittag bei seiner gut besuchten Buchpräsentation. Aber immerhin erntet er wohlwollenden Applaus. Den hat er sich durchaus verdient: Sein selbst geschriebenes Buch – keine Selbstverständlichkeit für einen Politiker – ist nett geschrieben und enthält viele unterstützenswerte Gedanken. Es ist eine Art Extended Version seiner Wahlkampfreden, angereichert um die eine oder andere persönliche Anekdote. Auch im Gespräch mit der Moderatorin Amelie Fried erscheint Schulz als sympathischer Mensch. Aber reicht das?
„Was mir wichtig ist“ hat Schulz sein 192 Seiten starkes Werk genannt – ein tückischer Titel, denn er lädt zum Umkehrschluss ein: Was in diesem Buch nicht steht, ist Schulz auch nicht wichtig. So fällt auf, dass er zwar unzählige Male seine verhinderte Fußballkarriere thematisiert, aber die Schuldenkrise Griechenlands und die fatale Austeritätspolitik von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble unerwähnt lässt. Dass gerade sie den Zusammenhalt der Europäischen Union, sein vermeintliches „Lebens- und Herzensthema“, massiv bedroht, ist Schulz kein Wort wert.
Ohnehin gehört das Europa-Kapitel zu den schwächeren des Buches. So bleibt er in der Analyse der gegenwärtigen Krisensituation ebenso nebulös wie in seinen Lösungsvorschlägen. „Ich bin dafür, dass wir die EU vom Kopf auf die Füße stellen“, schreibt Schulz. „Wir sollten uns nichts weniger vornehmen, als Europa neu zu gründen.“ Sätze für das sozialdemokratische Poesiealbum, aus denen nicht viel mehr folgt, als dass Europa nicht mehr darüber entscheiden sollte, „ob in Italien das Olivenöl in einfachen Glasflaschen auf den Restauranttischen stehen darf oder nicht“.
Ähnlich verhält es sich bei seinem zweiten „Großthema“, der sozialen Gerechtigkeit. „Wir müssen mehr Gerechtigkeit wagen.“, schreibt Schulz. Denn sie sei „eine grundlegende Bedingung für eine freie und fortschrittliche Gesellschaft“. Klingt gut. Aber was folgt für ihn daraus? Wenig. Die eigentlich logische Forderung nach einer Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum von oben nach unten gehört nicht dazu.
Es gehe nicht darum, alles anders, aber vieles besser zu machen, adaptiert Schulz einen alten Gerhard-Schröder-Slogan. Das dürfte nicht genug sein.
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