Ein Jahr nach dem Dossier zu Straßennamen mit Antisemitismus-Bezug ist erst wenig passiert. Immerhin Heinrich von Treitschke geht es an den Kragen.
Dass die Nazis die Macht übernehmen konnten, kam nicht von ungefähr. Es steht in direkter Verbindung zur Tradition des Antisemitismus in Deutschland.
Die Stadtkirche Wittenberg hält an dem obszönen Relief einer Sau, an deren Zitzen jüdische Kinder saugen, fest. Das ist Antisemitismus in Reinkultur.
Die Wittenberger Kirchengemeinde schließt nicht aus, dass das antisemitische Relief „Judensau“ abmontiert werden könnte. Das Schandmal beschäftigt die Justiz weiter.
Die „Judensau“ darf ohne verständlichen Kontext in Wittenberg bleiben. Das ist eine verpasste Chance mit weitreichenden Folgen.
Am Montag entscheidet der Bundesgerichtshof über das Schmährelief „Judensau“. Eine strafbewehrte Beschimpfung darf der Kirche nicht erlaubt sein.
Bischof Stäblein hält eine Umbenennung der Luther-Straße in Berlin für „abwegig“. Dessen Antisemitismus müsse man aber aufarbeiten.
Kultursenator Klaus Lederer im Parlament: Antisemitische Äußerungen des Autors von „Das Kapital“ sollen kein Grund für Bahnhof-Umbenennung sein.
Eine Initiative hat sich die Umbenennung der Martin-Luther-Straße in Schöneberg zum Ziel gesetzt. Die Parteien im Bezirk sind skeptisch bis ablehnend.
Die Evangelische Akademie schreibt, Rassismus und Antisemitismus seien nicht mit dem Christentum vereinbar. Doch folgen auch Taten?
Die antisemitische Schmähplastik darf an der Wittenberger Kirche bleiben. Sie ist nicht beleidigend, weil sie in ein Gedenkkonzept eingebettet ist.
Das Oberlandesgericht Naumburg urteilt, dass die mittelalterliche Darstellung an der Wittenberger Stadtkirche keine Beleidigung darstellt.
In der Lutherstadt Wittenberg hängt ein antisemitisches Relief an der Stadtkirche. Michael Düllmann will, dass es verschwindet.
Auch Niedersachsen huldigt jetzt dem antisemitischen Hassprediger und Erfinder der protestantischen Arbeitsethik mit einem Feiertag.
Auf der Suche nach dem Ursprung des Reformationstages als Feiertag stößt man vor allem auf Pragmatismus. Der Anlass erscheint nebensächlich.
Ein neuer Feiertag wird kommen. Er sollte aber nicht Martin Luther, sondern der Erinnerung an Auschwitz gewidmet sein.
Der Mehrheit der Religionslosen in Berlin wird viel zugemutet. Statt Luther braucht es neue, nichtreligiöse Feiertage.
Autoritär und humorlos: Die Landeskirchenjugend schlägt zu 500 Jahren Reformation ein kritisches Thesenpapier an 300 Kirchentüren.
Das Reformationstheater und der Streit um einen muslimischen Feiertag zeigen, dass es mit der religiösen Neutralität des Staates nicht weit her ist.