Marschflugkörper für die Ukraine: Für Kiew wird die Zeit knapp
Die Ukraine braucht im Abwehrkampf gegen Russland schnelle Fortschritte. Trotzdem bleiben sorgfältige Debatten über Waffenlieferungen wichtig.
D as Zeitfenster für die Unterstützung der Ukraine wird kleiner. Die Erfolge ihrer Gegenoffensive sind überschaubar, zugleich wird deutlich: Die von US-Präsident Biden geprägte Phrase „as long as it takes“ – ist endlich. Milliarden wurden seit Kriegsbeginn im Februar 2022 bereitgestellt für Waffen, für Versorgung – allen voran haben die USA, Deutschland, die EU investiert. Insbesondere die US-Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr senden bereits Vorboten, wie schwierig es werden wird, dauerhaft politische Mehrheiten für eine Unterstützung der Ukraine sicherzustellen. Der Krieg treibt die Preise, wirkt sich global aus – und damit auch innenpolitisch in den verbündeten Staaten. Steigt der Druck auf die Staatenlenker, wankt die Solidarität mit der Ukraine.
Erschwerend hinzu kommt die Wetterlage, die kriegsentscheidend sein kann. Die Ukraine-Kontaktgruppe, die kürzlich in Ramstein tagte, machte deutlich: Kalt, schlammig und nass wird es in den kommenden Monaten werden. Aus den USA sollen nun offenbar doch die von der Ukraine lang ersehnten Kurzstreckenraketen ATACMS kommen. In der Hoffnung, dass sie entscheidende Geländegewinne bringen.
Prompt beginnt auch hier wieder die Debatte über die Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus. Wie zuvor in der Diskussion um die Leopard-2-Panzer geht es seit Monaten hin und her. Die Befürworter:innen argumentieren: Ohne genau dieses Gerät wird die Ukraine gegen den Aggressor Russland nicht gewinnen können. Die Gegner:innen geben zu bedenken, dass sich die Reichweite der Marschflugkörper bis auf russisches Territorium erstreckt.
Kampf um langfristige Solidarität
Die Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine mag ermüdend und kleinteilig scheinen. Es ist aber wichtig, dass sie an den tatsächlichen Bedarfen ausgerichtet ist. Die ATACMS sind effektiver, da sie mit dem bereits gelieferten Himars-System vom Boden aus abgefeuert werden können. Für den Taurus und ähnliche britische und französische Marschflugkörper bräuchte es erst entsprechende Kampfjets und Ausbildungseinheiten. Für den Kriegswinter schließlich sind auch wetterfeste Kleidung und Heizgeräte für den Schützengraben entscheidend sowie Munition, um vorhandene Waffen anwenden zu können.
Es dauert so lange, wie es dauert, hat Außenministerin Baerbock über die mögliche Lieferung der Taurus-Marschflugkörper gesagt. Vermutlich hat sie recht. Zum Ärger der Ukraine, die nicht nur gegen Russland, sondern auch um die langfristige Solidarität des Westens kämpft. Und die bleibt notwendig: Jede Chance auf bilaterale Verhandlungen ist in weite Ferne gerückt. Dies hat der russische Außenminister Lawrow kürzlich vor der UN-Vollversammlung klargemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind