Markt der Netzentgelte: Differenzierung ist nötig
Die Bundesnetzagentur will die Kosten für Netzanschlüsse von Unternehmen regional differenzieren. Das ist richtig, aber zu wenig.
W o große Stromverbraucher sich ansiedeln, muss oft das Netz verstärkt werden. Dafür stellen die Netzbetreiber den Unternehmen in vielen Fällen einen einmaligen Baukostenzuschuss in Rechnung – so weit, so sinnvoll. Verursacherprinzip halt. Nun hat die Bundesnetzagentur ein Konzept erarbeitet, wonach Unternehmen künftig in unterschiedlicher Höhe an den Netzkosten zu beteiligen sind – „je nachdem, wie vorteilhaft die Ansiedlung an dem jeweiligen Standort für das Gesamtsystem ist“. Konkret soll der Baukostenzuschuss in fünf Stufen zwischen 20 und 100 Prozent variieren, abhängig davon, ob am betreffenden Netzknoten zusätzliche Verbraucher erwünscht sind oder eher nicht. Eine Karte der Aufsichtsbehörde zeigt, wo neue Verbraucher passend wären (im Norden) und wo weniger (im Süden und Westen).
Grundsätzlich ist die Idee richtig, aus den physikalischen Gegebenheiten des Stromnetzes Preisanreize für die Ansiedlung von Unternehmen abzuleiten. Und doch wirkt der Ansatz der Netzagentur hilflos, weil längst ein viel größerer Wurf nötig ist: Deutschland braucht eine grundsätzliche regionale Differenzierung des Strommarkts. Nicht nur die einmaligen Anschlusskosten für Großverbraucher benötigen eine regionale Komponente, sondern vor allem die Strompreise. Es gebietet die Ökonomie, dass an Orten und zu Zeiten des Überflusses der Strom billiger wird – und an Orten der Knappheit teurer.
Das gilt mehr denn je für die Elektrolyseure, die künftig überschüssigen Grünstrom zur Herstellung von reinem Wasserstoff nutzen sollen. Heute bekommt ein Elektrolyseur im Süden die Kilowattstunde an der Strombörse zum gleichen Preis wie sein Pendant in Norddeutschland. Denn gemäß der verqueren Architektur des deutschen Strommarktes spielt es keine Rolle, wo Erzeuger und Verbraucher stehen. Physik? Ach wo! Diese Ignoranz gegenüber den Naturgesetzen wird man auf Dauer nicht mehr halten können. Hoffentlich bringt der Vorstoß der Netzagentur die Debatte darüber voran.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?