Maritimes Recht: Enterhaken Seerecht
Ein Stück vom Offshore-Windkraft-Kuchen will auch das Land Bremen. Ende des Monats loten deshalb Juristen die maritime Rechtslage neu aus.
BREMEN taz | Nein, um Gewerbesteuer-Einnahmen aus Offshore-Windmühlen wird Bremen keinen Krieg führen. „Eine militärische Lösung kann ich ausschließen“, sagte Bremens stellvertretende Hafenabteilungsleiterin Renate Bartholomäus-Lüthge am Mittwoch zur taz. Und: Das ist ein großes Zugeständnis an die norddeutschen Nachbarn. Denn viel bleibt Bremen so nicht, um seine Ansprüche geltend zu machen. Bis die Offshore-Windräder Gewinne abwerfen dauert es zwar noch, die juristische Klärung aber ist in vollem Gange.
Ob etwa die Gewerbesteuer eines Windrades den Anrainern zugewiesen wird oder der Gemeinde, wo das Energie-Unternehmen sitzt: In beiden Fällen ginge Bremen eher leer aus. Das Land aber investiert mindestens 180 Millionen in ein eigenes Offshore-Hafenterminal – und will dafür ein Stück vom Kuchen.
Auch deshalb hat man sich im Bremer Wirtschaftsressort der Klärung juristischer Fragen auf See verschrieben. Ein eigener Forschungsverbund für maritimes Recht bündelt seit Ende 2012 die Kompetenzen aller Hochschulen im Land, gemeinsam mit Handelskammer und Einrichtungen wie dem Alfred-Wegener-Institut.
Die Idee eines "freien Meeres" geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Doch bis heute sind nicht alle maritimen Rechtsfragen geklärt.
Das UN-Seerechtsübereinkommen trat 1994 in Kraft.
Die Ausschließliche Wirtschaftszone war eine Neuerung: Bis zu 200 Seemeilen vor der Küste dürfen Staaten die Meeres-Ressourcen ausbeuten. Souveränität haben Staaten nur bis zur Zwölf-Seemeilen-Grenze.
Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg entscheidet über völkerrechtliche Fragen in internationalen Gewässern.
Inoffizielle Schiedsgerichte werden zunehmend populär.
Geklärt werden sollen Grenzen des allgemeinen Seerechts, des Seehandelsrechts, die Zugriffsrechte für die Meeresbodennutzung oder auch Fragen des Umweltschutzes auf hoher See – ganz allgemein, weil Bremen als Standort für den Seehandel und die Seelogistik relevant ist. Aber auch spezieller, ganz im Sinne landeseigener Interessen: Der Bremer Rechtswissenschaftler Til Markus etwa erforschte, warum im Gewerberecht bei den Offshore-Windanlagen durchaus ein Steueranteil auch an Bremen fließen könnten. Demnach könnte wie bei den Anlagen an Land auch die Gemeinde beteiligt werden, die besonders belastet ist. Das wäre der einzige Weg, wie Bremen an Geld käme – und das ist der eine Punkt, in dem kein anderes Bundesland die Bremer Rechtsauffassung teilt.
Offen ist das alles, weil die Windkraft-Anlagen fernab von Gemeinde-Grenzen liegen, in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone auf dem Meer – dem Bereich zwischen den Hoheitsgewässern, die zwölf Seemeilen vor der Küste aufhören, und der 200-Seemeilen-Grenze, hinter der die internationalen Gewässer beginnen.
Rechtliche Probleme auf See sind weltweit aktuell, weil die Ausbeutung der Meere in den vergangenen Jahren einen neuen Schub erfahren hat. Wem nun die Zugriffsrechte für Schätze im Ozeanboden zustehen, darüber wird etwa in der Karibik bereits mit den Säbeln gerasselt.
In Bremen versucht man es vorerst friedlich. Ende November diskutieren Juristen und Handelsexperten auf einer Konferenz die Perspektive der Meeresnutzung und Möglichkeiten deutschen Seehandelsrechts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn