Manfred Stenner ist tot: Friede sei mit dir
Auch wenn die Demos kleiner wurden: Über 30 Jahre kämpfte der Pazifist und Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative für eine bessere Welt.
Mitte Mai auf dem Friedensplatz in Bonn. Das Bündnis „Bonn stellt sich quer“ hat zum Protest gegen eine Wahlkampfveranstaltung der extrem rechten Partei „Pro NRW“ aufgerufen. Ein paar hundert Menschen sind gekommen. Neben der kleinen Bühne steht Manfred „Mani“ Stenner und dreht sich entspannt eine Zigarette.
Er ist in die Jahre gekommen, sein schütteres Haar mittlerweile grau. Seine Stimme hat sich allerdings nicht verändert. Sie ist so sanft wie immer. Es ist nicht die erste Kundgebung, die der Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative organisiert hat. Aber was sich keiner in diesem Augenblick vorstellen kann: Es wird seine letzte sein.
Mehr als dreißig Jahre ist es her, dass Mani Stenner die größte Demonstration seines Lebens mit vorbereitet hat. Das war am 22. Oktober 1983. Rund eine halbe Million Menschen strömten damals auf den Bonner Hofgarten, um gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss zu protestieren. Stenner war als Sprecher des Bonner Friedensplenums mittendrin. Der gewaltfreie Kampf für eine friedlichere, eine bessere Welt wurde zu seiner Lebensaufgabe.
Geboren 1954 im sauerländischen Hemer, hatte der Zivildienst Stenner mit 19 Jahren nach Bonn verschlagen. In der damaligen Bundeshauptstadt begann er anschließend zu studieren: Germanistik, Soziologie und Pädagogik. Mit dem Aufkommen der Friedensbewegung Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre geriet für den überzeugten Pazifisten das Studium alsbald in den Hintergrund.
1985 machte der Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung Stenner zum Geschäftsführer. Aus dem ehrenamtlichen wurde ein hauptberuflicher Friedensaktivist. Das blieb er auch, nach dem der zentralistische Koordinierungsausschuss Ende der achtziger Jahre zu einem eher losen Netzwerk umgewandelt wurde.
Keine Gedanken ans Aufgeben
Ob für den Frieden, für den Erhalt des Asylrechts oder gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: Die Demonstrationen, die Stenner organisierte, sind mit den Jahren zwar kleiner geworden. Aber ans Aufgeben dachte er nicht. „Das waren eben andere Zeiten“, sagte er nur, wenn er mal wieder darauf angesprochen wurde, dass früher doch viel mehr auf die Straße gegangen seien.
Von seinem kleinen Bonner Büro aus hat Stenner viele Bewegungen kommen und gehen sehen. Er ist geblieben. Was ihn auszeichnete war seine seltene Fähigkeit, unterschiedliche politische Strömungen zusammenzuführen. Er konnte mit Sozialdemokraten, Gewerkschaftern oder Kirchenvertretern ebenso gut reden wie mit Kommunisten oder Autonomen. „Mani trat vor allem als großer Organisator in Erscheinung, aber wenn er etwas sagte, dann hieß es zuhören, denn er war zugleich ein überaus kluger Kopf“, erinnert sich der frühere Vorsitzende des Aachener Friedenspreises Otmar Steinbicker an ihn.
Am Donnerstag erteilte er noch den Druckauftrag für die nächste Ausgabe des FriedensForums, der Zeitung des Netzwerks Friedenskooperative. Kurz darauf erlitt Mani Stenner eine Herzattacke. Er wurde nur 60 Jahre alt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen