Karl-Heinz Hansen gestorben: Ein moralischer Rigorist
Die Fraktionsdisziplin hat er missachtet, war friedenspolitisch aktiv und musste die SPD verlassen. Hansen wurde 87 Jahre alt.
Schon lange war es still geworden um Karl-Heinz Hansen, jenen unbeugsamen Linken, der sich skandalöserweise auch im Bundestag treu geblieben war. Als „moralischen Rigoristen“ charakterisierte er sich selbst einmal. Als „Wirrkopf“ titulierte ihn der seinerzeitige SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Ihm solle man „ein Stuhlbein über den Kopf hauen“, forderte ein Fraktionskollege.
Mehr als drei Jahrzehnte ist es her, dass Hansen die Schlagzeilen der bundesdeutschen Presse beherrschte. Damals, am 13. Dezember 1981, wurde er aus der SPD ausgeschlossen. Damit endete eine Parteikarriere, die so gar nicht der sozialdemokratischen Norm entsprach. „Mich hat gewundert, dass die nicht früher was gemacht haben“, kommentierte er später.
Hansen, geboren in Linderhofe im Kreis Lippe, trat 1961 in die SPD ein. Seit 1969 gehörte der frühere Lehrer dem Bundestag an. Was ihn auszeichnete: Unter Missachtung der Fraktionsdisziplin stimmte er gegen alles, was seinen Überzeugungen widersprach. Das war schon unter der Regierung Brandt nicht wenig. Unter Helmut Schmidt blieb dann kaum etwas, dem Hansen noch hätte zustimmen können. Ob Vermögensteuergesetz zugunsten der Reichen, Berufsverbote für Linke oder „Antiterrorgesetze“ – die SPD-Fraktion war dafür, Hansen votierte dagegen.
Er griff die Rüstungsgeschäfte der sozialliberalen Regierung an und kritisierte scharf deren unehrlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit. Sein Widerstand gegen den Nato-Doppelbeschluss, der die Stationierung weiterer Atomraketen in Deutschland vorsah, brachte das Fass zum Überlaufen. Die SPD schmiss ihren Bundestagsabgeordneten Hansen raus. Er würde alles wieder so machen, sagte er einmal.
Mit den „Demokratischen Sozialisten“ baute er eine eigene Partei auf – und scheiterte. Auch sein Engagement für die DKP-nahe „Friedensliste“ war nicht von Erfolg gekrönt. Ende der 80er Jahre zog sich Hansen aus der Politik zurück. Er konzentrierte sich auf seine historischen Studien, bezog vereinzelt in Artikeln Stellung. Nur manchmal tauchte er noch auf Veranstaltungen auf. Er sympathisierte mit der PDS, später der WASG und der Linkspartei.
Am 22. Juli ist Karl-Heinz Hansen mit 87 Jahren gestorben. Am Dienstag wurde er in Bremen beigesetzt. Bis zu seinem Tod bezeichnete er sich als „demokratischer Sozialist“. Wobei er stets hinzufügte, dass sei „natürlich eine Tautologie.“ Denn schließlich sei „das eine ohne das andere nicht denkbar.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Kulturetat von Berlin
Gehen Kassiererinnen in die Oper?
Argentinien ein Jahr unter Javier Milei
Arm sein im Anarcho-Kapitalismus
„Kanzlerkandidatin“ der AfD
Propagandashow für Weidel
FDP und D-Day
Staatstragende Partei, die von Kettensägenmassakern träumt
Offensive in Syrien
Ist ein freies Syrien möglich?
Journalist über Kriegsgefangenschaft
„Gewalt habe ich falsch verstanden“