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Major rechnet mit einer langen Amtszeit

Die britischen Konservativen rüsten für den unmöglichsten aller Wahlsiege. Zum Abschluß des Parteitags der Tories spielt der Premierminister den Mann aus dem Volk  ■ Aus Bournemouth Dominic Johnson

Es war eine bewußt unspektakuläre Rede, mit der der britische Premierminister John Major gestern den Parteitag der regierenden Konservativen in Bournemouth beendete. Sie war so unspektakulär, daß es dem Publikum gar nicht richtig auffiel, als sie plötzlich zu Ende war. Eben noch hatte Major erzählt, wo er im Wahlkampf sein werde, „draußen, in den Straßen und Marktplätzen, dort wo ihr seid“ – und auf einmal trat er vom Rednerpult zurück, und alles war vorbei.

Es wäre ja auch zu einfach, wenn die Tories nach langen, dunklen Jahren des Stolperns von Skandal zu Skandal und von Umfragentief zu Umfragentief nun plötzlich strahlen würden. Aber dieser Parteitag, der letzte vor den Wahlen, hat mehr für die Moral der Truppe getan, als irgend jemand erwartet hatte. Es gab weder öffentlichen Streit über Europa noch peinliche, moraltriefende Reden. Es gab, wie es ausgerechnet der zur euroskeptischen Rechten zählende Verteidigungsminister Michael Portillo ausdrückte, „Einheit, Einheit, Einheit“.

Folglich erscheint es Major völlig normal, daß er noch ganz lange Premierminister sein wird. Seine Abschlußrede war keine Proberegierungserklärung wie die Tony Blairs auf dem Labour-Parteitag letzte Woche, sondern eine klassische Wahlkampfrede. „Anders als Labour schämen wir uns nicht für unsere Vergangenheit“, sagte der Premier. „Anders als Labour haben wir unsere Prinzipien nicht aufgegeben. Anders als Labour haben wir uns nicht neu erfinden müssen. Wir sind stolz auf unsere Leistungen... Herr Blair kann doch nicht einfach sagen: Hört mal, ich bin kein Sozialist mehr, darf ich jetzt bitte Premierminister sein?“

Neben Attacken gegen Blairs „überhitzte Sprache“, wo „jedes Ziel ein Kreuzzug“ wird, war Majors Hauptthema die Parole des Parteitags: „Chancen für alle“. Major erinnerte an seine Kindheit im Londoner Armenviertel Brixton, als er aus Geldmangel mit 16 die Schule verlassen und dann, anders als der auf einer Privatschule ausgebildete Blair, seinen eigenen Weg suchen mußte. Das Image von Major als „Mann des Volkes“ gegenüber Blair als Elitezögling droht, eines der überstrapaziertesten Klischees des britischen Wahlkampfs zu werden.

Majors Botschaft: Nur die Tories würden einem normalen Menschen wie mir diesen Job geben. Und nach einem Wahlsieg wäre es sein Ziel, „allen“ mehr Wahlmöglichkeiten und mehr Chancen im Leben zu bieten. Wie, sagte er nicht – aber im Laufe des Parteitags haben diverse Redner ein Bild von Großbritannien als Land an der Schwelle zu einem Wirtschaftswunder gemalt, als leuchtendes Gegenstück zu einem in Rezession und sozialen Unruhen versinkenden Europa.

Für Major und seine Partei ist das die Leistung von 17 Jahren konservativer Regierung. Einiges deutet darauf hin, daß die Tories nun sogar ein wenig an ihre Wahlchancen zu glauben beginnen. Zumindest ist klar: Der Wahlkampf ist nicht, wie einige bei Labour sich wünschen, so gut wie vorbei. Er hat gerade erst begonnen.

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