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Mahnwache und GegendemonstrationNahostkonflikt an der Alster

Bei einer Mahnwache zoffen sich pro-israelische und pro-palästinensische Gruppen. Dabei geraten ein 86 und ein 68-Jähriger aneinander.

Ohne die anderen war die Mahnwache auf der Reesendammbrücke friedlich. Bild: Deutsch-Israelische Gesellschaft

HAMBURG taz |Im Nachhinein bleiben nur wenige Fakten, auf die sich alle Beteiligen einigen können, übrig. Unstrittig ist, dass es am Freitagnachmittag auf der Reesendammbrücke eine Mahnwache gegeben hat, bei der pro-israelische Gruppen, das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg und das Netzwerk Hamburg für Israel, an die drei Jugendlichen Eyal Ifrach, Gilad Schaer und Naftali Frenkel erinnerten, die von der Hamas entführt worden seien.

Unstrittig ist auch, dass es eine Gegendemonstration von pro-palästinensischen Gruppen gegeben hat, darunter die Palästina AG der Hamburger Attac-Gruppe und die Regionalgruppe Hamburg der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft. Aus Sicht der Gegendemonstranten gibt es keine Beweise dafür, dass die Hamas für das Verschwinden der drei Jugendlichen verantwortlich ist. Vielmehr würde Israel selbst palästinensische Kinder entführen.

Die Mahnwache bestand aus 30 bis 40 Teilnehmern mit Schildern, Fahnen und Handzetteln. Die Gegendemonstration bestand aus zehn bis 15 Leuten. Auch sie hatten Schilder und Handzettel dabei.

Als beide Gruppen aufeinandertrafen, kam es zu Beschimpfungen durch die jeweils andere Seite, sagen beide Gruppen. Auch besteht kein Zweifel, dass bei dem Aufeinandertreffen ein 86-jähriger pro-israelischer Demonstrant zu Schaden kam und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Die Polizei hielt danach beide Gruppen auf Abstand, bis die Mahnwache und die Gegendemonstration vorbei waren.

Für oder gegen?

Wohl keine Frage spaltet die Hamburger Linke so tief wie die nach der Haltung zu Israel und zur Politik der israelischen Regierung. Stationen eines Konflikts:

2002 kommt es im linken Radiosender Freies Sender Kombinat (FSK) zum Streit zwischen Antideutschen und Antiimperialisten um Antisemitismus und Rassismus.

2003 werden Sendeverbote im FSK verhängt. Es gibt Prügeleien.

2004 fordert die antideutsche Zeitschrift Bahamas auf einer Demonstration die Schließung des von Antiimperialisten getragenen Internationalen Zentrums B 5 in der Brigittenstraße.

2009 verschärft sich der Konflikt mit der Blockade von Claude Lanzmanns Film "Warum Israel" im B-Movie: Aktivisten der B 5 versperren den Besuchern den Weg - die Simulation eines israelischen Grenzpostens, wie sie erklären. Es kommt zum Handgemenge.

Weit auseinander gehen die Darstellungen, wie der 86-Jährige zu Schaden gekommen ist. Ina Dinslage vom Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sagt, der Mann sei „derart heftig zu Boden gestoßen worden, dass er eine Wunde am Kopf erlitt und so ungünstig fiel, dass er nicht mehr laufen konnte“. Als die Tochter des Verletzten ihrem Vater helfen wollte, sei sie ebenfalls von dem Gegendemonstranten getreten worden.

Eva Lehmann von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft dagegen sagt, einem 68-Jährigen aus ihrem Lager sei das Schild vom Rücken gerissen worden. Als er sich umdrehte, sei er mit einem Regenschirm bedroht worden und habe sich gewehrt. Dabei sei es zu dem Sturz des älteren Mannes gekommen, der ansonsten im Rollstuhl gesessen habe. Getreten worden sei niemand, auch nicht die Tochter des Verletzten.

Noch vor Ort zeigte der 86-Jährige den 68-Jährigen an. Ferner gab es eine Anzeige der Tochter des Verletzten gegen Unbekannt wegen Beleidigung. Auch die pro-palästinensische Seite sagt, einer der ihren habe eine Anzeige erstattet, und zwar wegen einer Tätlichkeit: Er habe ein Pappschild ins Gesicht bekommen.

Nun ermittelt der Staatsschutz der Polizei, der für politisch motivierte Straftaten zuständig ist.

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7 Kommentare

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  • Infam, wie Herr Irler hier brutalen Antisemitismus verharmlost.

    • @Oma Kruse:

      Rassismus in Form von Palästinenserhass ist aber auch nicht von schlechten Eltern.

      • @Bernado:

        Ich hasse die Palästinenser nicht und die meisten Israelis tun das auch nicht, denn sie wissen, dass die Palästinenser genauso Geiseln des Antisemitismus sind wie sie selber.

        Hieße der Gegner nicht Israel und wäre er nicht der einzige jüdische Staat auf dieser Erde, dann hätte man den palästinensischen "Flüchtlingen" schon lange erlaubt, die Lager zu verlassen und Bürger jener Staaten zu werden, in die ihre Großväter einst geflüchtet sind.

        • @Oma Kruse:

          Bei den palästinensischen Todesopfern

          (bisher fünf, jetzt vielleicht schon mehr) bei der Suche nach den drei Vermissten, den vielen Verprügelten, den nachts aufgesprengten Haustüren und verwüsteten Einrichtungen palästinensischer Häuser, gehe ich schon von Palästinenserhass aus.

          http://taz.de/Israelische-Militaeraktion-im-Westjordanland/!140937/

  • Fatale Äquidistanz, ick hör dir trapsen ... Die Mahnwache für die drei israelischen Jungs war doch wohl zuerst da und wurde gestört bzw. attackiert:

     

    So sehen es die Veranstaltenden:

    http://hamburg-israel.de/?p=288

    • @Fiete Strandläufer:

      War zu erst da Gegenmeinung damit nicht mehr erlaubt sonst gibt es Dresche.

      So geschiet es Täglich wenn Antifaschisten Nazisdemos blockieren oder dagegen Demonstrieren.

      Deitsches Demontrationsrecht heist das.

      • @jens Nehrkorn:

        Ob eine „Gegenmeinung“ zur Mahnwache für drei entführte israelische Jugendliche, die sich im deutschen Mainstream von Spiegel, Zeit bis SZ verortet und in Netanjahu den bösewichtigen Aggressor des Nahen Ostens meint brandmarken zu können erlaubt ist, war nicht mein Thema. Und eine israelsolidarische Mahnwache mit Nazidemos auch nur irgendwie im Zusammenhang zu imaginieren, finde ich mehr als abstrus - wir sind hier in Deutschland und diskutieren im Nachfolgestaat der NS-Volksgemeinschaft, der Dichter und Henker.