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Mahnung aus der Geschichte

■ Jahrestag des Pogroms von 1938: Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde warnt vor der Preisgabe des Artikels 16 / Gedenkstunden in Potsdam und Sachsenhausen

Berlin. Höhepunkt der vielen Gedenkstunden, die am Montag zur Erinnerung an das Novemberpogrom 1938 stattfanden, war die zentrale Veranstaltung im Haus der Jüdischen Gemeinde. Mit sehr eindringlichen Worten kritisierte der Vorsitzende Jerzy Kanal die Bundesregierung. „Wenn heute unter dem Druck des Pöbels der Artikel 16 zur Disposition gestellt werden soll, dann ist das mehr als eine Ermutigung zu weiteren Verbrechen; dann bestimmt eben dieser Pöbel die Politik in diesem Lande“, sagte er unter großem Beifall im völlig überfüllten Gemeindesaal und in die Gesichter der zahlreich erschienenen Berliner Politiker. Und er ließ keinen Zweifel daran, daß nicht die Linksextremisten die Gefahr für den Rechtsstaat sind, sondern jene Kräfte, die billigend in Kauf nehmen, daß Asylbewerberheime angezündet und Gedenkstätten geschändet werden. Die jüdische Gemeinschaft sei „mit Angst erfüllt“, und angesichts täglicher Berichte über Aufmärsche von Rechtsradikalen frage er sich, ob die „Demokratie stark genug ist, diesem Spuk eine Ende zu bereiten“. Solidarität der Demokraten müsse zuallererst heißen, „den Terror der Randalierer zu beenden“.

Ebenfalls minutenlangen Beifall erhielt Kanal für seine Würdigung des „Marsches der Hunderttausenden“. Er sei „ein Zeichen der Hoffnung“ und eine eindrucksvolle Manifestation für die Demokratie, die Toleranz und Menschenwürde gewesen. An diesem Eindruck könnten auch einige hundert Störer nichts ändern: „Der Marsch war beispiellos in der deutschen Geschichte.“ An der Gedenkstunde nahmen auch etwa 50 Gäste des United States Holocaust Memorial Centers teil. Auch deren Vorsitzender Miles Lermann bezeichnete die Demonstration als eine „wunderbare Antwort“ auf alle Hooligans und Nazis, die die Demokratie demontieren wollen. Er forderte die Öffentlichkeit auf, nicht nur sensibel auf Angriffe gegen Juden zu reagieren, sondern genauso auf Angriffe gegen Zigeuner, denn „Haß ist Haß“. Der Regierende Bürgermeister Diepgen ging in seiner Ansprache in erster Linie auf die Ängste der jüdischen Bevölkerung ein. Er versicherte: „Sie sollen und Sie können sich in dieser Stadt heimisch und sicher fühlen.“ Dieser Verantwortung „werden wir uns gemeinsam stellen“.

Bannmeile in Potsdam

Auch in Potsdam wurde am Montag den Novemberpogromen gedacht. Arbeitsministerin Regine Hildebrandt (SPD) nutzte ihre Ansprache auf einer von der Jüdischen Gemeinde initiierten Kundgebung gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Demonstrantenschelte zu betreiben. Der pauschale Vorwurf während der Berliner Demonstration, alle Politiker seien Heuchler, verzerre die Realität. In Brandenburg werde mit einem 41-Punkte- Programm „das Möglichste“ zur Integration von Ausländern getan. Ihr Aufruf, „Politikern einmal zu trauen“, wurde mit einigen Buhrufen quittiert. Eine durch die Polizei gesicherte „Bannmeile“ trennte die Rednertribüne von den vielen hundert Teilnehmern.

In Sachsenhausen legte eine Delegation von Überlebenden der französischen und belgischen „Lagergemeinschaft Auschwitz“ Kränze nieder. Auf einer Pressekonferenz im Haus der Wannsee- Konferenz wandte sich Charles Desirat gegen die Pläne von Bund, Land Berlin und des Fördervereins „Perspektive Berlin“, ein zentrales Mahnmal nur für die ermordeten Juden zu errichten. Auch die Roma und Sinti seien nur „ihrer Rasse“ wegen als „minderwertig“ betrachtet und deshalb umgebracht worden. Ihre Leidensgeschichte solle auch in den Lehrplänen und Geschichtsbüchern besonders erwähnt werden, um die Einzigartigkeit dieser Ereignisse hervorzuheben. aku

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