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Magie für Pferde

Theater Zauberkunst, Psychomagie, Performance, will das der Abend „Magical. Act. Matter“ in den Sophiensælen zusammenbringen? Aber so einfach ist der Genrewechsel nicht

Zauberlehrling bei der Arbeit Foto: Christopher Hewitt

von Astrid Kaminski

So uncool sah der Showmacher und Performer Ariel Efraim Ashbel noch nie aus. Scheitel, zwei geflochtene Zöpfchen auf beiden Seiten, runde Streberbrille und ein Griff in die Batikgarderobe der 1960er oder auch in die Ausstattungskiste von Mittelaltermärkten. Doch der Look ist dann, vorgeführt in kriechenden Bewegungen, auch schon sein Hauptpart in der aktuellen „Apparatus“-Version „Magical. Acts. Matter“, die von der Philosophin und Kuratorin Stefanie Wenner und dem Theatermann Thorsten Eibeler von Showcase Beat Le Mot angeregt und in den Sophiensælen uraufgeführt wurde.

Nicht viel anders als Ashbel ergeht es in diesem 10-köpfigen Kollektivprojekt der Choreografin und Tänzerin Ligia Lewis. Immerhin zeigt sie noch eine fast schon rhythmisierte Zauberlehrlings-Tanzeinlage mit Schellen an den Fesseln und spitzen Fingerhüten. Die Überspanntheit der Nacken- und Armmuskulatur bei den beschwörend atmosphärischen Bewegungen, mittels derer sie den Raum mit den Armen vor sich verdichten und wieder weiten will, ist dabei allerdings hinderlich. Es wirkt blockiert. Diese Bereitschaft zum Verschleiß durch künstlerische Uneindeutigkeit und dieser Dilettantismus in Magie sind überraschenderweise die wesentlichsten Merkmale von „Magical. Acts. Matter“.

Mehr Reflexion erwartet

Überraschend ist das, weil Stefanie Wenner in den letzten Jahren als freie Kuratorin gerade dadurch aufgefallen ist, dass sie performative Apparate geschaffen hatte, in denen Theorie und Praxis, Kunst und Community, Ausstellung und Performance, Thema und Variationen zusammenfinden, Schnittstellen bilden und ein weites rhizomatisches Netz entstehen lassen. Hat sie vielleicht aus dem Inneren ihres nur mit Facettenaugen ausgestatteten Pilzkostüms (Kostüme Anna Brótankóva), das zu den wenigen Highlights des Abends gehört, den Überblick verloren? Kann es tatsächlich sein, dass mit Magical Acts hier eine Mischung aus billiger Zauberkunst, effekthafter Selbstkasteiung, Gurugewändern und angedeuteter Psychomagie gemeint ist? Und ist das an Antonello da Messinas Gemälde „Der heilige Hieronymus im Gehäuse“ erinnernde mobile Studiolabor auf der Bühne tatsächlich nicht mehr als Kulisse?

„Apparatus“, klärt der Abendzettel auf, „ist der von Karen Barad gewählte Begriff für den Prozess der Materialisierung einer Situation, der menschliche und nichtmenschliche Performanz als Intra-Aktion gleichwertig beschreibt.“ Es ist nicht das erste Mal, das Wenner diesen Begriff für ihre Formate verwendet. Sie ist diejenige in der Performanceszene, die die philosophische Strömung des „New Materialism“, die für Teile der Tanz- und Bildende-Kunst-Welt in den letzten Jahren prägend ist, am gründlichsten befragt und präsentiert hat. Wenn sie sich nun dem Thema Magie im Theater zuwendet, dann entstehen verschiedene Erwartungen: eine Reflektion zum zeitgenössischen Katharsisbegriff, eine Einordnung der derzeit vehementen Zurückweisung von Yvonne Rainers No-Magic-and-Make-Believe-Doktrin aus den 1960ern („No Manifesto“), eine Auseinandersetzung mit Ritualgeschichte und dem spekulativen Potenzial des New Materialism.

Nichts, keine Spur von alldem. Zu Kriechbewegungen und verspannten Schultern drischt das „hart-hitting“ Duo Hacklander/Hatam bis an die Schallgrenze auf sein Drumset ein, Florian Feigl tropft sich Kerzenwachs über die Augenlider und verliest als Theresias psychomagische Handlungsanweisungen des Filmemachers Alejandro Jodorowsky, Thorsten Eibeler intoniert in peinlicher Einfallslosigkeit den zweiten, eigentlich auf Pferde anzuwendenden Merseburger Zauberspruch, um seinen Fuß zu kurieren.

Magie stellt sich eigentlich nur bei Kareth Schaffer ein. Wahrscheinlich hat die Performerin mit der blonden Kinderfrisur zu viele Twilight-Filme gesehen. Sie muss nur auf der Bühne erscheinen und die Szene wird doppelbödig. Diese Karte spielt sie aus, bewegt sich wie unter Tranquilizern. Pure Berechnung. Warten auf den richtigen Moment. Der kommt spät – und es wäre ihr auch zuzutrauen, dass er gar nicht kommt. Zum Glück ist sie gnädig. Sie raucht drei Zigaretten gleichzeitig, spielt mit den Wucherungen irrationaler Suchtenergien, bis ein Dämon ihr bildhaft aus dem Rachen wächst. Ein grässlich-gruseliger Varieté-Moment, der ein wenig mit dem richtungslosen Quacksalberabend versöhnt.

Wieder am 29. und 30. Oktober um 20 Uhr

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