Magdeburg-„Polizeiruf“: Mechanismen der Sucht
Die Süchtigen, das sind nicht immer bloß die anderen. Ein Krimi über die Bedingungen der Abhängigkeit – an der Elbe wunderschönem Strande.
Was für ein Albtraum, der Doreen Brasch (Claudia Michelsen) gleich am Anfang heimsucht. Sie scheint nicht ganz bei Sinnen, ein fremder Mann taucht auf – eine rot eingefärbte Sequenz soll wohl bedeuten, dass noch Blut fließen wird. Wird es.
Der Vorahnungen aber nicht genug: Durchs klingelnde Telefon wach geworden, greift die Hauptkommissarin erst mal zu Schmerztabletten – sie leidet unter einer sogenannten Kalkschulter, das ist schmerzvoll, zum Arzt aber will sie nicht –, und ganz nebenbei kommt eine Dose Pferdesalbe ins Bild. In dem Krimi „Totes Rennen“ wird es also um Pferde gehen.
Nach diesen ersten Minuten könnte man schon aufstöhnen, weil sich hier ein dröger, allzu vorhersehbarer Krimi anbahnt. Doch man hätte Unrecht.
An der Elbe wunderschönem Strande (Tourismuswerbung!) liegt ein Toter. „Hast du mal eine Ibu“, fragt die Brasch den Kollegen von der Spusi, denn bei ihrem ersten Soloeinsatz kommt sie ohne Schmerzmittel nicht aus. Überstrapaziertes Motiv? Wart’s ab, wird später noch wichtig!
Die Spirale nach unten
Schnell ist die Identität des jungen Mannes festgestellt: Er lebte zuletzt wieder bei seinen Eltern, getrennt von Frau und Sohn, und hatte Schulden über Schulden. Und das LKA ist involviert. Allein die Eltern: Sie leben in einem Haus, gebaut zu DDR-Zeiten im Stil des sozialistischen Klassizismus, auch Zuckerbäckerstil genannt. Die Ausstattung ist eine Pracht, manche Dialoge ebenso. Einst als Eiskunstlaufpaar bei Olympia mit dabei, sind die Eltern Disziplin gewohnt.
Und was macht der Sohn? Genau das Gegenteil. Kriegt sein Leben nicht gebacken. Die Sucht ist zu groß. Und so führt dieser Polizeiruf in den tiefen und ekligen Sumpf rund um Sportwetten und Wettbetrug.
Der Magdeburg-„Polizeiruf“: „Totes Rennen“ läuft So., 16.2., 20.15 Uhr, im Ersten
Mit „Totes Rennen“ ist Regisseur Torsten C. Fischer ein Krimi gelungen, der mit seinen Wendungen echt überraschen kann. Doch der Krimi-Plot, und das ist ja durchaus „Polizeiruf 110“-typisch, wird durch die soziale Komponente erst so richtig gut. Eindrücklich werden hier die Mechanismen der Spielsucht beschrieben – die aufrechterhaltenen Bedingungen, wie das Psychologen nennen –, die fatalen Auswirkungen auf Familie und Freunde, die Spirale nach unten. Was für ein Grauen.
Wie anfällig der Mensch für Süchte aller Art ist, verdeutlicht nicht zuletzt der allzu schnelle Griff zur Schmerztablette durch Hauptkommissarin Brasch. Oder der zum Wein, zur Schokolade oder was auch immer so zum Krimigucken passt.
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