Mafia-Morde: Scham bei Duisburgs Italienern
Während in Kalabrien die Angst vor weiteren Morden die Menschen lähmt, fürchten seit Jahrzehnten in Duisburg lebende Italiener um den Ruf ihrer Landsleute.
ROM taz Wenn die Mafiosi der Organisation Ndràngheta das Medienecho im Heimatland auf den sechsfachen Mord in Duisburg gering halten wollten, so hätten sie kaum ein besseres Datum wählen können. Die Nacht auf den 15. August: In Italien ist sie die Nacht vor dem höchsten Sommerfeiertag, vor Mariä Himmelfahrt oder auch "Ferragosto", den Ferien des Augustus, an denen das ganze Land zum Stillstand kommt - und eben auch die Zeitungsredaktionen. Bloß die Onlineausgaben der großen Zeitungen beschäftigten sich mit dem blutigen Verbrechen.
Zunächst fragen sie: Warum an diesem Tag? "Eine symbolische Botschaft, die sich hinter den Daten versteckt", titelt der Mailänder Corriere della Sera. Der letzte spektakuläre Mord in der "Fehde von San Luca" habe am Weihnachtstag 2006 stattgefunden, als die 33-jährige Maria Strangio erschossen wurde. Jetzt habe der gegnerische Clan an einem ebenso hohen Feiertag geantwortet: Jener Moment der Pause, der bisher auch von der Mafia an den hohen Feiertagen eingehalten wurde, werde offenbar nicht mehr respektiert. La Stampa erinnert daran, dass in Kalabrien bald wieder ein wichtiges lokales Fest ansteht: der Feiertag der Madonna von Polsi am 2. September, an dem sich die Ndràngheta-Bosse gewöhnlich an einem kleinen Kirchlein mitten in der Wildnis der Berge zum Gipfeltreffen einfinden.
Aus San Luca haben die Korrespondenten bisher wenig zu berichten. In der menschenleeren Stadt sei das einzige Geräusch das der runtergehenden Rollläden, kaum dass sich ein Fremder nähert, so der Corriere della Sera. "Blutbad in Duisburg, Angst in Kalabrien" titelt die Website der Tageszeitung Il Giornale aus dem Hause Berlusconi; auch seine Journalisten berichten aus einer "Geisterstadt": "Kaum Leute auf der Straße, und keiner hat Lust zu reden".
Lust zu reden haben dagegen die Menschen in Duisburg, Deutsche genauso wie Italiener. Il Giornale zitiert Duisburger Bürgerstimmen: "Können wir jetzt noch auf eine Pizza ins italienische Restaurant gehen oder müssen wir denken, dass die alle Mafiosi sind?" Die Zeitung fügt hinzu, dass die italienischen Immigranten eigentlich in Deutschland "respektiert und beliebt" seien, dass die schockierte italienische Community jetzt aber Scham empfinde. Die Repubblica lässt einen italienischen Bürger Duisburgs zu Wort kommen, der 2006 öfter im italienischen Fernsehen war - als das Landhaus Milser Hotel die italienischen WM-Kicker beherbergte. Antonio Pelle heißt der Miteigentümer des Hotels - und er stammt ausgerechnet aus San Luca. Von der Polizei geweckt worden sei er am Morgen des 15. August, aber er habe auch nicht mehr sagen können, als dass Sebastiano Strangio ein hervorragender Koch war; "wieso sie ihn erschossen haben, weiß ich nicht". Pelle beschwert sich, er habe alles getan, um den "guten Namen Kalabriens" in Duisburg hochzuhalten, und dann sei dieser "widerliche" Mord geschehen. Jedes Jahr fährt Pelle nach Hause, aber was da genau passiert, weiß er natürlich nicht. Nur dieses: "Vielleicht sollte ich meinen Nachnamen in Müller ändern. Es wird Jahre dauern, bis wir diesen Schandfleck getilgt haben".
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