Männerklub FDP: Keine Frauen? Kein Problem!
Auch im Norden sind deutlich weniger Frauen als Männer als Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt. Besonders betroffen ist die FDP.
OLDENBURG taz | Ob Frauenquote, „Flexiquote“ oder die Forderung nach fairer Bezahlung: Die Chancengleichheit für Frauen ist Wahlkampfthema – auch wenn sich ihm die Parteien mit unterschiedlichem Nachdruck widmen. Die Landeslisten jedenfalls sind nach wie vor klar von Männern dominiert. In Niedersachsen sind drei von vier Kandidaten männlich, in Mecklenburg-Vorpommern sogar 78 Prozent. In Bremen, Hamburg und Schleswig Holstein ist die Relation mit 71, 69 und 64 Prozent entspannter.
Vor allem die FDP zeigt sich betont maskulin: Auf ihrer Liste für das bevölkerungsreichste Nord-Bundesland Niedersachsen beträgt der Frauenanteil gerade 12,5 Prozent, nur drei der 24 Kandidaten sind weiblich. Auf den anderen Landeslisten sieht es ähnlich aus; in Mecklenburg-Vorpommern gar findet sich unter den zehn Namen nicht ein einziger weiblicher – ungeachtet des Passus im Parteiprogramm: „Wir wollen mehr berufliche Aufstiegschancen für Frauen in unserem Land.“ Oder der Aussage, dass „gemischte Teams oft überlegen“ seien. Mit der Aufstellung solcher „gemischten Teams“ haben die Liberalen aber ihre Schwierigkeiten.
Thomas Heldberg, Generalsekretär der Liberalen in Mecklenburg-Vorpommern, bedauert das: Er wäre ihm „sehr lieb gewesen“, würden sich Frauen unter den Kandidaten befinden. Nur habe sich auf dem betreffenden Parteitag keine einzige Frau für einen Listenplatz oder eine Direktkandidatur beworben, auch nicht per Kampfkandidatur. Das möge mit den familiären oder beruflichen Belastungen zu tun haben, aber nicht zuletzt wohl auch mit den geringen Aussichten auf den Einzug in den Bundestag. „Vielleicht haben die ersten ein oder zwei Listenplätze eine Chance darauf“, sagt Heldberg, die restlichen nicht – und die Direktkandidaten ohnehin nicht. „Das mag auch abschreckend wirken“, vermutet Heldberg.
Wie die Partei, so die Liste der FDP – na und?
Sein niedersächsischer Amtskollege Gero Hocker sieht dagegen kein Problem darin, dass die Liste von Männern dominiert wird. „Der Maßstab muss doch sein: Wie viele Frauen gibt es denn in der FDP?“, sagt der Generalsekretär. Das seien eben nicht so viele, und dass sich unter den ersten sieben Listenplätzen zwei Frauen befinden, sei doch „ein gerechter Maßstab“. Die hinteren Plätze, sagt Hocker unverblümt, spielten ohnehin keine Rolle. Und letztlich seien von neun aktuellen FDP-Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen vier weiblich.
Tatsächlich haben alle Parteien mit einer geringen Zahl an weiblichen Mitgliedern zu kämpfen. Selbst bei Grünen und Linken, die über den höchsten Frauenanteil unter den im Bundestag vertretenen Parteien verfügen, beträgt ihr Anteil mit 37 Prozent nur wenig mehr als ein Drittel; bei der SPD sind es 31 Prozent.
Um Ausgleich bemüht
Dennoch bemühen sich diese Parteien um Ausgleich: Grüne und Linke besetzen ihre Landeslisten in fast allen Fällen paritätisch, bei den Grünen sind die Frauen meist sogar in der Überzahl. Die SPD schickt zwar insgesamt mehr männliche Bewerber ins Rennen, hat aber zumindest die oberen Bereiche ihrer Landeslisten – also die Plätze, die die größte Aussicht auf den Einzug in den Bundestag bieten – streng abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt.
Für derart „starre Verhältnisse“ hat Hocker kein Verständnis: „So wie es die Grünen machen, halte ich es für fehlerhaft“, sagt der FDP-Mann. Neben den Liberalen halten sich auch die Christdemokraten nicht lange mit Quotierungen auf: In Niedersachsen etwa entspricht der Männeranteil unter den CDU-Kandidaten mit rund 73 Prozent ziemlich genau dem Wert innerhalb der Partei. Auf der Liste hingegen finden sich hier wie auch in Schleswig-Holstein die weiblichen Namen eher im unteren und damit aussichtslosen Bereich.
Nur die MLPD glänzt mit satten 80 Prozent Frauen
Der Männerüberschuss findet sich zumeist auch bei den kleinen Parteien: Neben den Rechtsextremen sind vor allem die Alternative für Deutschland und die PARTEI zu nennen. Die Ausnahme ist die MLPD: Sie setzte in Schleswig-Holstein nur einen Mann auf die Liste – dafür aber vier Frauen. Auch wenn es nur für die Statistik ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe