Männerförderung bei Staatsanwaltschaft: Gleichstellung mal andersrum
Weil es zu viele Frauen in der Staatsanwaltschaft Hamburg gebe, bevorzugt diese bei Neueinstellungen nun Männer. Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert das.
Sandra Goldschmidt, stellvertretende Landesbezirksleiterin von Ver.di in Hamburg und zuständig für die Frauen, kritisiert das Vorgehen scharf: „Aus unserer Sicht ist das nicht verfassungskonform, weil die Verfassung keine Ungleichbehandlung zulässt und das bei den Frauen nur deswegen tut, weil man damit eine strukturelle Benachteiligung ausgleichen will.“
Frauen hätten es nach dem Studium immer noch schwerer als Männer, an gute Stellen zu kommen, sagt Goldschmidt. Ihre Gewerkschaft fordert deswegen die Hamburger Staatsanwaltschaft auf, ihre Stellenausschreibung in dieser Form zurückzunehmen – auch Kontakt in die Politik habe sie deswegen bereits aufgenommen.
Carsten Rinio, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft und Personaldezernent für den höheren Dienst, ist sich keiner Schuld bewusst. Er verweist auf das Hamburgische Gleichstellungsgesetz: „Wir setzen hier nur geltendes Recht um.“
Das unterrepräsentierte Geschlecht
Tatsächlich schreibt Paragraf fünf des Gesetzes vor, dass das unterrepräsentierte Geschlecht bei Neubesetzungen oder Beförderungen zu bevorzugen ist. Unterrepräsentiert sind Männer oder Frauen demnach, wenn ihr Anteil in einer Behörde unter 40 Prozent sinkt. Dieser Grundsatz gilt für die gesamte öffentliche Verwaltung.
In der Staatsanwaltschaft Hamburg sind Rinios Angaben zufolge insgesamt nur 70 von 195 Staatsanwältinnen und -anwälten Männer, also rund 36 Prozent. In Bereichen, in denen neu eingestellt wird, seien es sogar nur 28,4 Prozent. Seit 2011 hätten sich durchgehend mehr Frauen als Männer beworben.
Ver.di lässt das nicht gelten. Goldschmidt sagt: „Den Frauenüberhang jetzt wieder auf die Hälfte umkehren zu wollen, weil es sonst zu viele Frauen wären, negiert total, dass immer noch eine grundsätzlich schwierigere Ausgangslage für Frauen herrscht.“
„Brauchen händeringend Menschen“
Das Ungleichgewicht in der Behörde gebe es seit 2014, sagt die Sprecherin der Justizbehörde, Marion Klabunde. Um es mit europäischen Vorgaben in Einklang zu bringen, sei damals das Gleichstellungsgesetz geändert und die Regel aufgenommen worden, dass die Maßnahmen bei Männern und Frauen gleichermaßen anzuwenden seien.
„Das wäre auch bei der Sozialbehörde nicht anders“, sagt Klabunde. Einen Grund für den Frauenüberschuss in der Justizverwaltung sieht sie darin, dass der Arbeitsalltag in der Behörde familienfreundlicher zu gestalten ist als der in einer Großkanzlei: „Und da sind wir dann schnell wieder in den klassischen Strukturen“, sagt Klabunde.
Immerhin: Dass tatsächlich eine Bewerberin zugunsten eines Mannes abgelehnt worden ist, ist ihr und auch Carsten Rinio zufolge noch nicht vorgekommen. In der Realität seien die Qualifikationen nie genau gleich, so dass gar nicht abgewogen werden müsse. „Wir brauchen händeringend Menschen, für uns ist das eine total theoretische Frage“, sagt Klabunde. Wer geeignet sei, finde ohnehin eine Stelle.
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