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Männerbild von Schauspieler Sean PennBoys will be Boys? Bitte nicht

Viele Männer seien „zu feminin“, sagt Schauspieler Sean Penn, der einst den Queer-Aktivisten Harvey Milk verkörperte. Was ist da falsch gelaufen?

Oscarpreisträger Sean Penn Foto: Robert Galbraith/Reuters

V iele Männer seien „zu feminin heute“, sagt Sean Penn, der Schauspieler, der einst Harvey Milk verkörperte, in einem der berührendsten Filme über die queere Bewegung. Penn sagt im Interview sogar etwas von „Genen“ und dass Männer nicht versuchen sollten, „Frauen zu werden“, und ich verschlucke mich. Verdammt, Sean, du hast einen Scheißoscar gekriegt dank einem Haufen femininer Tunten! Manchmal frage ich mich, ob das mit dem Fortschritt so einfach ist, wie ich mir das vorstelle.

Meine Idee ist ja die: Man muss Leute nur oft genug konfrontieren mit der Realität von Minderheiten wie LGBT-People. Information, Talkshows, Dokus, Serien, Filme, Theater und von vorn. Unter dem erfrischenden Wasserschwall gelungener medialer Repräsentation werden die reaktionären Glaubenssätze weggewaschen. Redaktionsschluss, Welt besser, Feierabend. Aber selbst die Sean Penns, die uns die besagte gelungene Repräsentation vorspielen, werden offenbar kein bisschen klüger.

„Ich bin zu alt für so was“, sagt ein Bekannter aus dem linken Spektrum. Mit „so was“ meint er die feminine Mode, in der immer mehr männliche US-Promis auftreten. „Du ziehst dich doch auch nicht so an, oder?“, sagt er. Und hat recht damit. Vor Scham möchte ich mich in Nagellack ertränken.

Da draußen stürmt die Shitdebatte über und gegen trans Leute, weil kaum jemand einen Vorstellungsraum jenseits von Männlein und Weiblein haben mag. Promis wie Normalos kleben an Vorstellungen von Boys-will-be-Boys. Nachdenkliche Feuilletondiskurse und das gelegentliche Rumgefreue über Männer in Frauenkleidern scheinen nichts zu helfen.

Stöckel zu Hause gelassen

Dann fällt mir ein, dass Sean Penn womöglich eine Eigenschaft seiner Figur Harvey Milk in den falschen Hals gekriegt hat. Harvey Milk, der Queer-Aktivist aus San Francisco, wollte USA-weite politische Allianzen schmieden, damit die Queers in San Franciscos Castor District nicht mehr allein und angreifbar wären. Zu diesem Zweck versuchte er, als möglichst „normaler“ schwuler Mann aufzutreten. Die Mehrheit sollte mitbekommen, dass „nicht alle Schwulen“ sich auffällig, sprich: feminin, gaben und kleideten. Die Filmfigur Harvey Milk, gespielt (leider wunderbar) von Sean Penn, wird bei einem Treffen mit machomännlichen Gewerkschaftern gezeigt, wie er einen Witz darüber macht, seine Stöckel heute zu Hause gelassen zu haben.

Was Sean Penn womöglich nicht versteht, ist, dass es sich dabei um eine politische Strategie handelte, die damals nötig war, um Leid zu verhindern. Kein Wert an sich. Was der linke Bekannte wiederum nicht begreift, ist: Wenn ich auf feminine Kleidung verzichte, dann nicht aus Wohlfühlen und Überzeugung, sondern als Zugeständnis, weil ich mir die Konsequenzen sparen will.

Hey Sean, Männer sind nicht männlich wegen Genen, sondern weil wir Angst haben vor Typen wie dir.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.