piwik no script img

Männer und andere Perverse

■ In I Shot Andy Warhol spielt Lily Taylor die Attentäterin von Andy Warhol

Am 3. Juni 1968 um 16.15 Uhr wurden aus einer 32er Baretta drei Schüsse auf Andy Warhol abgegeben. Der Schwerverletzte liegt im Blut, und jemand sagt: „Nehmen Sie doch einfach den Aufzug und gehen!“ War die Täterin, Valerie Solanas, eine Frauenrechtlerin, ein Opfer der kalten Arroganz der Künstlerclique um den Pop-Meister oder schlicht eine Verrückte? Sieben Jahre hat die TV-Journalistin Mary Harron sich mit der schillernden Person von Valerie Solanas befaßt. Erst als reine Dokumentation geplant, entstand schließlich der Spielfilm I Shot Andy Warhol. Die Regisseurin, die Warhols Factory noch aus ihrer Journalistenzeit kennt, reiht sich hiermit in das Revival der 70er ein. Wo das Filmportrait Basquiat allerdings kultisch verklärt, bietet sie mit schnellen Schnitten einen Lebensgefühlsextrakt für die MTV-Generation, beschwört eine Aufbruchsstimmung voller Musik, Drogen und schmutziger Wörter.

In pseudodokumentarischen schwarz-weißen Bildern werden Auszüge des „S.C.U.M.“- Manifests verlesen. Die „Society For Cutting Up Men“, deren einziges Mitglied Valerie Solanas war, wendet sich „gegen Männer, verheiratete Frauen und andere Perverse“. Da der Film das Manifest gerade nicht als Handlungsanleitung zum Mord versteht, bleibt es ein brillianter, satirisch überhöhter Text.

Doch I Shot Andy Warhol vermeidet den Eindruck, Radikalfeminismus sei seine Botschaft. Dafür nimmt die Inszenierung einer Factory-Party breiten Raum ein. Dabei gelingt Harron ein schönes Bild: Valerie Solanas (Lily Taylor) und Andy Warhol (Jared Harris) sitzen inmitten des Trubels unbeteiligt auf einem Sofa – beide in ihre eigene Welt verstrickte Außenseiter. Hajo Schiff

Neues Broadway, Oase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen