Mängel in Mazedonien: Skopjes EU-Verhandlungen in Gefahr
Mazedonien möchte 2008 Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufnehmen. Doch der EU-Fortschrittsbericht spricht von erheblichen Mängeln in der politischen Kultur des Landes.
Wenn man in der mazedonischen Hauptstadt Skopje ein Regierungsgebäude betritt, steht auf der Durchleuchtungsmaschine für die Taschen ein kleines Schild, auf dem eine schwarze Pistole abgebildet ist. Darunter heißt es: "Waffen deklarieren." Hat man diese Hürde erst einmal genommen, könnte man meinen, der kleine Balkanstaat mit seinen gut 2 Millionen Einwohnern sei bereits Mitglied der Europäischen Union. In den Eingangshallen hängt die mazedonische Sonnenflagge neben dem Banner der EU. Das Land, das seit 2005 einen Kandidatenstatus hat, wartet gespannt auf den Fortschrittsbericht aus Brüssel, der am heutigen Dienstag vorgelegt wird, und hofft auf den Beginn von Aufnahmeverhandlungen 2008.
In der Frage des EU-Beitritts sind sich Regierung und Oppossition einig, Umfragen zufolge sind auch 90 Prozent der Bevölkerung dafür. "Mazedonien ist ein Loch in Europa, das geschlossen werden sollte", sagt Regierungssprecher Ivica Bocevski und spielt damit auf die Nachbarschaft zu den EU-Mitgliedsstaaten Griechenland und Bulgarien an. Doch Mazedonien wird sich noch gedulden müssen.
Der Fortschrittsbericht, von dem Teile vorab bekannt wurden, sieht durchaus gewisse Erfolge, etwa bei der Korrputionsbekämpfung. Das Land ist bei der Bewertung von Transparency International von Platz 103 auf Platz 84 vorgerückt. Es gibt eine anonyme Hotline, wo Fälle von Bestechung gemeldet werden können, und eine weitere für Verstöße gegen das Zollgesetz, also den Schmuggel. Die Grenzkontrollen wurden mit EU-Hilfe verbessert, und Vanco Kargov, der Direktor der Zollverwaltung, erläutert die Erfolge bei der Beschlagnahme von Drogen, Zigaretten, Waffen, Medikamenten oder Markenartikeln, die zu fünfzig Prozent für den Transit bestimmt sind.
Verbesserungen sieht die EU auch im Bereich der Menschenrechte und der Rechte von Minderheiten. Ein gutes Viertel der Bevölkerung sind offiziellen Angaben zufolge ethnische Albaner. 2001 stand das Land am Rande eines Bürgerkrieges, als es zu Kämpfen zwischen der mazedonisch-albanischen UÇK und den Sicherheitskräften kam. Im gleichen Jahr wurden die Auseinandersetzungen mit dem Abkommen von Ohrid beendet, das mehr Rechte für die Minderheiten und eine Dezentralisierung vorsah und dessen Umsetzung die Voraussetzung für den Kandidatenstatus war.
Das Hauptproblem jedoch liegt im Bereich der politischen Kultur. Ein hochrangiger EU-Diplomat in Skopje konstatierte bei einem Gespräch Mitte Oktober einen "Mangel an politischem Konsens und einen Mangel an Vertrauen". Und im Fortschrittsbericht heißt es der Financial Times zufolge: "Häufige Spannungen und Probleme beim Erreichen eines konstruktiven Dialogs zwischen den wichtigen politischen Akteuren unterminieren das effektive Funktionieren der politischen Institutionen und führten zu einer Verlangsamung der Reformen."
In der Tat: Der sozialdemokratische Präsident und der konservative Regierungschef kommunizieren kaum miteinander, Parlamentsboykotte albanischer Parteien verzögerten die Verabschiedung von Gesetzen, und der Austausch zahlreicher Beamter auf allen Ebenen nach dem Regierungswechsel im Juli 2006 erwies sich als Fortschrittshemmnis. Wegens dieses Klientelismus mussten EU-Programme für den Aufbau einer effektiven Verwaltung neu gestartet werden. Daher fordert der Fortschrittsbericht eine stärkere Trennung von Politik und Administration.
Die Bevölkerung erhofft sich von einem EU-Beitrtt neben einem wirtschaftlichen Aufschwung vor allem Reisefreiheit. Mazedonier können die anderen Balkanstaaten bereisen, in die Türkei, nach Ägypten oder Kuba fahren, aber für einen Besuch in den EU-Ländern müssen sie die Visaprozeduren über sich ergehen lassen und 35 Euro bezahlen - bei einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 300 Euro und einer Arbeitslosigkeit von 37 Prozent. Hinzu kommt, dass zahlreiche Mazedonier seit der Arbeitsmigration zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawien Verwandte beispielsweise in Deutschland haben. Kein Wunder, dass es einen breiten Konsens gibt, das "Loch" so schnell wie möglich zu schließen.
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