Machtwechsel in Australien: Erdrutschsieg für Labor
Premier Howard räumt seine Niederlage ein. Oppositionschef Kevin Rudd will Soldaten aus Irak abziehen und das Kioto-Protokoll unterzeichnen. US-Präsident Bush verliert einen Unterstützer.
SYDNEY taz "Wir haben viel Arbeit vor uns. Heute beginnen wir damit", erklärte der frisch gewählte Kevin Rudd am Sonntag bei seiner ersten Pressekonferenz als australischer Premier. Kurz zuvor hatte er sich telefonisch mit dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush unterhalten, der ihm zu seinem Wahlsieg gratuliert habe. Rudd: "Ich habe ihm garantiert, dass die Allianz mit den USA weiter im Zentrum der australischen Außenpolitik stehen wird." Sein Wahlversprechen, die verbleibenden 580 australischen Soldaten aus Irak abzuziehen, wurde offenbar nicht diskutiert. Auch die von Rudd in Aussicht gestellte Ratifizierung des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz war noch kein Thema. Gegenüber den Medien machte Rudd aber klar, sofort Maßnahmen gegen die globale Erwärmung ergreifen zu wollen. Außerdem will er in Ausbildung, Gesundheit und den Aufbau eines Internet-Breitbandnetzes investieren.
Rudds Labor-Partei erlebte einen Erdrutschsieg. In allen Bundesstaaten außer Westaustralien legten die Sozialdemokraten zu. Am Sonntagabend hatte Labor 53 Prozent der Stimmen, die konservative bisherige Regierungskoalition 46 Prozent. Beobachter gehen davon aus, dass Labor bis zu 90 der 150 Sitze im Unterhaus erhalten wird. Dagegen wurde die konservative Regierung buchstäblich zerschmettert. Die größte Blamage erlitt der Premier selbst: höchstwahrscheinlich wird er auch seinen Sitz im Parlament verlieren. Seine Nachfolgerin wird die ehemalige Journalistin Maxine McKew sein, die erst vor ein paar Monaten der Labor-Partei beigetreten war. Am Sonntag war unklar, wer die Liberale Partei weiter führen wird. Ein Kommentator meinte, die Konservativen stünden vor dem "größten Scherbenhaufen ihrer Geschichte, vielleicht sogar ihrem Untergang".
Wie Kevin Rudd am Samstag meinte, hat sich Australien mit der Wahl der Labor-Partei "der Zukunft zugewandt". Damit brachte er seine Wahlkampagne auf den Punkt. Der ehemalige Diplomat, der fließend Chinesisch spricht, präsentierte sich und die Labor-Partei als junge, positiv denkende und zukunftsorientierte Alternative zu Howard. Von Beginn machte er klar, dass die Förderung der Ausbildung im Zentrum seiner Politik stehen würde. Seine Stellvertreterin - seit Samstag die erste Frau im Amt des Vizepremiers - ist die 46-jährige Juristin Julia Gillard.
Mit Ausnahme der Themen Ausbildung, Gesundheit, Arbeitsrecht und Klimaschutz hielt sich Rudd bedeckt, wenn es darum ging, konkrete politische Ziele aufzuzeigen. John Howard dagegen machte in den letzten Monaten einen alten und verbrauchten Eindruck. Er und seine Minister konzentrierten sich in erster Linie darauf, Labor anzugreifen. Howard warnte, die Sozialdemokraten stünden unter dem Einfluss der Gewerkschaften und würden die Wirtschaft ruinieren. Rudd reagierte rasch und bezeichnete sich als wirtschaftlich "konservativ". In seiner Siegesrede am Samstag verstärkte er den Eindruck, die Arbeiterpartei sei von den Gewerkschaften nicht mehr abhängig: er verzichtete darauf, sie speziell zu erwähnen.
Der massive Gewinn von Labor ist umso erstaunlicher, als es den Australiern nach 16 Jahren konjunkturellen Aufschwungs generell sehr gut geht. Vor diesem Hintergrund hätte keine Notwendigkeit für einen Wechsel bestanden. Analysten machten am Sonntag in erster Linie die jüngsten wirtschaftlichen Reformen für Howards Niedergang verantwortlich. Die Einführung drakonischer Arbeitsgesetze vor einem Jahr traf Millionen Beschäftigte hart. Viele mussten Gehaltseinbußen hinnehmen und können ohne Angabe von Gründen entlassen werden.
Rudd hatte angekündigt, im Falle des Sieges die Gesetze abschaffen zu wollen. Offenbar unterschätzt hatte Howard auch die Stimmung im Volk in der Frage des Klimaschutzes. Eng mit der politisch einflussreichen Bergbauwirtschaft verbunden, hatte der Exregierungschef erst vor einem Jahr unter Druck der öffentlichen Meinung anerkannt, dass Klimawandel existiere. Kaum ein Wahlkampfthema war, dass Rudd die australischen Truppen aus Irak zurückholen will. Dieses Versprechen und die angekündigte Ratifizierung des Kioto-Protokolls dürften die vorerst wichtigsten außenpolitischen Maßnahmen sein, die Labor umsetzen wird. Die meisten Analysten glauben nicht, dass das unter Howard deutlich gestärkte Verhältnis zu Washington getrübt wird. Es ist zu erwarten, dass Rudd seine engen Verbindungen zu Peking bald zum Ausbau der bilateralen Beziehungen mit China nutzen wird. Das Land ist der bedeutendste Abnehmer australischer Rohstoffe.
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