Machtwechsel bei Österreichs Konservativen: Vizekanzler tritt zurück
Josef Pröll kehrt der Politik den Rücken - aus gesundheitlichen Gründen. Der scheidende Vorsitzende hinterlässt eine Partei, die in einer tiefen Krise steckt.
WIEN taz | Mit nur 42 Jahren ist Josef Pröll, ÖVP, zu krank für "engagierte Spitzenpolitik, so wie ich das auch persönlich verstehe". Deswegen erklärte der Konservative Mittwoch - zur Überraschung selbst der Parteifreunde - seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern: Vizekanzler, Finanzminister und Parteichef. Über die Nachfolge entscheidet der Parteivorstand am Donnerstag.
Pröll hatte am 18. März beim Schifahren in Tirol eine Lungenembolie erlitten und entging nach Aussage der Ärzte nur knapp dem Tod. Seither wurde er zuerst in der Innsbrucker Universitätsklinik und dann in einem Rehab-Zentrum total abgeschirmt. Selbst seine engsten Mitarbeiter hatten keinen regelmäßigen Telefonkontakt.
Dass der Vizekanzler nicht, wie angekündigt, nach Ostern zurückkehrt, sondern einen radikalen Schnitt macht, dürfte wirklich rein medizinische Gründe haben. Er habe viel Zeit zum Nachdenken gehabt und sich letzten Endes "nicht gegen die Politik", sondern für die Familie entschieden. Ehefrau Gabriele und drei halbwüchsige Kinder sind ihm wichtiger.
Diese für österreichische Verhältnisse erstaunlich klare Entscheidung nötigte auch politischen Gegnern, wie der Grünen-Chefin Eva Glawischnig Respekt ab. Was die Nachfolge betrifft, zirkulieren schon seit einiger Zeit Gerüchte. Heißester Tip ist Außenminister Michael Spindelegger, dessen auffällig häufige Medienpräsenz ihn als heimlichen Kronprinzen outete.
Wahrscheinlich ist, dass die von Pröll abgegebenen Funktionen auf zwei Personen aufgeteilt werden. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner könnte das Finanzministerium übernehmen und damit eine Kabinettsumbildung auslösen. Auch die gestrenge Innenministerin Maria Fekter, zuständig für das Abdecken der rechten Flanke gegenüber der FPÖ, hat Ambitionen auf höhere Weihen durchblicken lassen. Das Rennen dürfte aber noch offen sein. Denn Pröll wollte ursprünglich seine Nachfolger gleich vorstellen.
Er hinterlässt eine Partei, die in einer tiefen Krise steckt. Bei Regionalwahlen in der Steiermark und in Wien im vergangenen Herbst musste die ÖVP schwere Schlappen einstecken. Skandalbürgermeister, die des Wahlbetrugs überführt oder vom Vorwurf der Vergewaltigung nur im Zweifel freigesprochen wurden, untergruben das Vertrauen in die auf Gemeindeebene stärkste Partei.
Der Eklat um Ernst Strasser, der sein EU-Mandat augenscheinlich nutzte, um als Lobbyist Geld zu scheffeln, führte zu einem Absturz in den Umfragen. Die ÖVP rangiert nur an dritter Stelle: hinter der aufstrebenden FPÖ. Josef Pröll redete in seinem Auftritt Klartext: "Zwei große Fragen belasten die Politik, die nach Anstand und Stillstand".
Den Stillstand in der Reformpolitik hat Pröll zumindest zum Teil selbst zu verantworten. Den fehlenden Anstand - eine klare Anspielung auf Strasser - hätte er bei seinen Personalentscheidungen früher erkennen müssen. Der scheidende Vizekanzler hält sich zugute, dass Österreich die Finanz- und Wirtschaftskrise besser überwunden habe, als viele andere Länder. Aber mit seiner Perspektivengruppe, die vor Jahren eine Modernisierung und Erneuerung der ÖVP einleiten sollte, scheiterte er an den eigenen Leuten.
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