Machtkampf um SPD-Vorsitz: Stöß liegt vorn
Herausforderer Jan Stöß kann gegen Amtsinhaber Müller einen Sieg verbuchen: Der Bezirk Mitte stimmt für ihn. Nur ein Mitgliederentscheid könnte Müller noch retten.
Der Herausforderer Jan Stöß ist seinem Ziel einen Schritt näher gekommen: Im Rennen um den Berliner SPD-Vorsitz sprachen sich die Delegierten des Bezirks Mitte mit 86 von 122 Stimmen deutlich für Stöß aus - und damit gegen Amtsinhaber Michael Müller. Mitte galt als Zünglein an der Waage: Auf dem Landesparteitag am 9. Juni stellt der Bezirk 27 Delegierte. Damit kann Stöß nun mehr Stimmen auf sich vereinen als Müller.
Müller sollte im Juni zum vierten Mal als Parteivorsitzender wiedergewählt werden. Dass er seit Dezember zudem Stadtentwicklungssenator ist, wurde in den vergangenen Wochen zunehmend kritisch diskutiert. Zudem gilt der Wowereit-Vertraute als blass und schlechter Kommunikator. Am 23. April hatte Jan Stöß, Kreisvorsitzender von Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecher des linken Flügels, angekündigt, gegen Müller zu kandidieren.
Für Müller wird es seither immer enger. Mit Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und voraussichtlich auch Treptow-Köpenick stehen zwar mehrere große Bezirke hinter Müller. Doch mit Mitte vereint Stöß schon jetzt mehr Delegiertenstimmen auf sich. Ihn unterstützen zudem die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau und Pankow. Noch offen ist, für wen Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg stimmen, die beiden Bezirke stellen jedoch nur eine geringe Anzahl an Delegierten und könnten Stöß' Vorsprung nicht ausgleichen.
Sollte Stöß' Unterstützerbasis in den Bezirken stabil bleiben, wäre Müllers einzige Chance auf eine Wiederwahl eine Mitgliederbefragung. Dann würden statt den Delegierten der Bezirke auf dem Landesparteitag die Mitglieder direkt über den Vorsitz abstimmen; Müller hätte dabei aufgrund seiner Bekanntheit deutlich bessere Chancen. Unterstützer von Müller haben den Antrag auf einen Mitgliederentscheid sofort nach Stöß' Bekanntmachung im SPD-Landesvorstand eingebracht. Der Antrag wurde mit 15 zu 9 Stimmen jedoch deutlich abgelehnt.
Offenbar versuchen jetzt einzelne Ortsverbände, dennoch einen Mitgliederentscheid durchzusetzen: Der Tagesspiegel berichtet am Freitag, zwei Spandauer Ortsverbände planten, gegen das Votum des Landesvorstandes ein Mitgliederbegehren über den Landesvorsitz durchzusetzen. Dazu müssten sie innerhalb von drei Monaten Unterschriften sammeln. Sprechen sich zehn Prozent der 16.000 Berliner SPD-Mitglieder für eine Mitgliederbefragung aus, muss diese stattfinden. Das Verfahren hat keine aufschiebende Wirkung, die Wahl zum Landesvorsitz könnte am 9. Juni stattfinden – was im Falle eines laufenden Mitgliederbegehrens jedoch ein Affront gegenüber der Basis wäre.
Davor fürchtet sich der von Stöß-Anhängern dominierte Landesvorstand offenbar nicht. Er beschloss am Freitag, die Wahl solle wie geplant durchgeführt werden. Und legte den Initiatoren des Mitgliederbegehrens schon mal die ersten Steine in den Weg: Die Berliner SPD-Mitglieder sollten nicht wie üblich sofort per Brief über das geplante Begehren informiert werden, sondern erst Anfang Juni in der bundesweiten SPD-Mitgliederzeitung „Vorwärts“.
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