Machtkampf in Libyen: Das Land bleibt gespalten
Libyens Einheitsregierung ist in der Hauptstadt Tripolis eingetroffen. Gegnerische Milizen mobilisieren bereits ihre Anhänger.
Milizen, die das Abkommen ablehnen, rückten nach dem Umzug der Regierung aus. Sie kontrollieren den Großteil der Zwei-Millionen-Stadt. Mindestens ein Zivilist starb bei Kämpfen mit Serrajs Geleitschutz aus der Hafenstadt Misrata. Angehörige des Geleitschutzes hatten zuvor das Gebäude des TV-Senders Al Nabba gestürmt, der gegen die UNO und die libysche Armee in Bengasi im Osten des Landes Stimmung machte. Auch die dortige Regierung lehnt Serraj ab, da das international anerkannte Parlament in Tobruk noch nicht die nötige Zustimmung gegeben hat.
„Libyen hat nun drei Regierungen“, beschreibt der Journalist Ala Drasy die Lage. „Es ist gut, dass der Machtkampf zwischen Ost und West von einer neutralen Partei beendet wird, die Unterstützung in der Bevölkerung hat, doch gegen die religiösen Milizen ist sie chancenlos.“
Doch diese wollen ihren Machtanspruch nicht aufgeben. Da der in Tripolis regierende Khalifa al-Ghweil den Luftraum über Westlibyen sperren ließ, kam Serraj mit einem libyschen Patrouilleboot aus dem tunesischen Sfax nach Tripolis. Libyens oberster Mufti, Sadiq Gahriani, rief zum Dschihad gegen die Einheitsregierung auf, da diese „gegen die Scharia und für einen liberalen Staat“ eintrete.
Das Ende des Bürgerkriegs feiern
Die mit Panzern und Artillerie ausgerüsteten Milizen in Misrata machen mobil, um Serraj zu schützen. Mit Feiern wurde dort das Ende des Bürgerkriegs begangen. „Die vielen Menschen auf den Straßen wollten aber auch die Einheit der Stadt einfordern“, so der Geschäftsmann Faisal Swehli. Denn mit Salah Badi kommt einer der gefährlichsten Gegner der Einheitsregierung aus Misrata.
Politiker aus der Stadt hatten gehofft, den mit ehemaligen Al-Qaida-Kämpfern verbündeten Badi davon zu überzeugen, keinen Widerstand zu leisten. Doch der Kommandeur schmiedet offenbar eine Allianz für einen Angriff auf die Marinebasis nahe der Altstadt von Tripolis.
Falls sich ihm die in Tripolis versteckten Zellen des „Islamischen Staats“ anschließen, könnte ein Szenario wie in Bengasi entstehen, wo eine Art Bürgerarmee unter dem Kommando von General Khalifa Hafter gegen die religiösen Milizen des „Schura-Rats“ kämpfen.
Die knappe Rede von Serraj macht nur wenigen Bewohnern von Tripolis Mut, die unter dem Verfall des Dinars und zunehmenden Versorgungsengpässen leiden: „Es ist Zeit für uns Libyer, zum Wohle des Landes zusammenzuarbeiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin