Machtkampf in Libyen: Eine Regierung für alle
Der UN-Sondervermittler hat eine Einheitsregierung für das krisengebeutelte Land vorgeschlagen. Die Zustimmung der Konfliktparteien ist aber fraglich.
![Männer, darunter Bernardino Leon, und weitere libysche Politiker stehen hinter einem Pult Männer, darunter Bernardino Leon, und weitere libysche Politiker stehen hinter einem Pult](https://taz.de/picture/713553/14/14372134.jpg)
Die Bekanntgabe war als Versuch des Fortschrittes gedacht, um das ölreiche, aber von politischem Chaos und Unruhen zerrüttete Land wieder zu einen. Bislang stehen sich eine islamistische Regierung in Tripolis und eine international anerkannte Regierung im ostlibyschen Tobruk gegenüber. León zufolge konnte bei den Gesprächen in Marokko eine Liste mit Namen von Kandidaten für Posten in der Einheitsregierung erarbeitet werden. Drei Stellvertreter von Sarradsch sollen den Osten, Westen und Süden des Landes repräsentieren. Komplettiert werden soll der präsidiale Rat durch zwei Minister.
Ob die beiden Regierungen mit Leóns Vorschlag zufrieden sind, ist allerdings fraglich. Einer der vorgeschlagenen Stellvertreter, Mussa al-Kuni, sagte: „Der härteste Teil hat gerade erst begonnen.“
Abdulsalam Bilaschahir vom Allgemeinen Nationalkongress in Tripolis sagte der BBC: „Wir sind kein Teil dieser (vorgeschlagenen) Regierung. Sie bedeutet nichts für uns und wir wurden nicht hinzugezogen.“ Kritik äußerte auch Ibrahim Alsaghiat aus dem Repräsentantenhaus in Tobruk: „Diese vorgeschlagene Regierung wird zu der Trennung Libyens führen und wird es in einen Witz verwandeln.“ Leóns Entscheidung sei „unklug“ gewesen.
Ungeachtet dessen gab sich León bei der Bekanntgabe optimistisch. „Wir glauben, diese Liste kann funktionieren“, sagte er vor Reportern. „Alle von ihnen werden als ein Team arbeiten. Das war keine leichte Aufgabe.“ Der britische Botschafter in Libyen, Peter Millet, pflichtete ihm bei: „Es gibt keine Alternative zu diesem Ansatz.“
Extremisten und Milizen
Die Richterin Naima Jibril lobte, dass auf der Liste zwei Frauen für Ministerposten vorgeschlagen worden seien. „Libysche Frauen sind dazu fähig, erfolgreiche Rollen in der künftigen Regierung zu spielen.“
León hatte gehofft, eine nationale Einheitsregierung bereits am Mittwoch bekanntgegeben zu können. Druck auf die Konfliktparteien hatten zuletzt auch US-Außenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ausgeübt.
Libyen ist seit dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 zunehmend im Chaos versunken. Dies hat Extremisten wie der Terrormiliz Islamischer Staat in dem Land Aufwind gegeben, aber auch die Tür für Migranten und Flüchtlinge geöffnet, um auf Schmugglerbooten von der libyschen Küste aus über das Mittelmeer in Richtung Europa abzulegen. Viele starben auf der gefährlichen Überfahrt.
Damit hören die Herausforderungen für eine neue Einheitsregierung nicht auf. Die Wirtschaft des Landes befindet sich nahe dem Kollaps, eine Reihe von Milizen ist im Land aktiv und vielen Libyern fehlt es an der Grundversorgung. Laut UN-Schätzungen benötigen 2,44 Millionen Menschen in dem Land – fast 40 Prozent der libyschen Bevölkerung – Schutz und humanitäre Hilfe.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!