Machtkampf in Afghanistan: Karsai strebt Kontrolle der Wahlen an
Afghanistans Präsident Hamid Karsai will mehr Einfluss auf die Wahlkommissionen haben. Allen polititischen Parteien droht die Neuregistrierung
BERLIN taz | Afghanistans Präsident Hamid Karsai könnte seiner angestrebten Kontrolle über die Wahlinstitutionen des Landes näher gekommen sein, bevor am 5. April 2014 sein Nachfolger gewählt wird. Ein gemeinsamer Ausschuss beider Häuser des Parlaments beschloss am Sonntag in Kabul ein Gesetz über „Struktur und Befugnisse der Unabhängigen Wahlkommission (UWK) und der Wahlbeschwerdekommission (WBK)“.
Die Abgeordneten kamen Karsai dabei in einer Schlüsselfrage entgegen, indem sie die beiden internationalen Mitglieder der fünfköpfigen Beschwerdekommission abschafften. Diese waren bisher von der UNO nominiert worden.
Die Beschwerdekommission hatte maßgeblich dazu beigetragen, massive Fälschungen bei der Präsidentenwahl 2009 aufzudecken. Karsai gewann trotzdem, warf der internationalen Gemeinschaft aber Eimischung vor und schaffte die WBK per Kabinettsbeschluss ab. Dafür braucht er noch die Zustimmung des Parlaments.
Noch ist das Ergebnis offen, denn das Parlament sicherte sich das letzte Wort bei der Nominierung der UWK-Mitglieder, das bisher der Präsident hatte. Doch Karsai hat schon sieben der neun Kommissare ernannt. Deren Mandat endet erst nach den Wahlen.
Mangelnde Parteibüros
Auch geht die Regierung erneut den ungeliebten politischen Parteien an den Kragen. Ebenfalls am Wochenende wurde bekannt, dass das Justizministerium pauschal allen 55 registrierten Parteien mit der Suspendierung droht, weil keine von ihnen über Büros in mindestens 20 der 34 Provinzen verfüge.
Was sich wie eine sinnvolle Maßnahme zur landesweiten Verankerung der Parteien anhört, läuft kurz vor dem Wahlkampf auf politische Schikane hinaus. Dem Karsai-Lager bereitet Kopfschmerzen, dass sich die Parteien, darunter auch sonst regierungstreue, zuletzt aktiver in die Politik einmischten und immer wieder Karsais Kontrollambitionen kritisieren. Schon vor der Parlamentswahl 2010 hatte das Justizministerium alle Parteien zu einer Neuregistrierung gezwungen.
Die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2014 müssen sich bis 15. September dieses Jahres bewerben. Karsai darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten – sorgt sich aber um sein politisches Erbe. Im März hatte er erklärt, er werde weiter „am Kabinettstisch sitzen, wenn auch nicht oben“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier