Machtkampf im Südsudan: Zurück in den Bürgerkrieg
Der Streit in der regierenden Exguerilla spitzt sich zu, in Südsudans Hauptstadt Juba brechen heftige Kämpfe aus. Präsident Kiir sucht die Entscheidung.
BERLIN taz | Von sechs Uhr abends bis sechs Uhr früh herrscht Ausgangssperre. Fernsehen und Telefonverbindungen sind tot. Der Flughafen ist gesperrt. Mindestens 600 verängstigte Frauen und Kinder haben auf dem Gelände der UN-Blauhelmmission Zuflucht gesucht.
„Bleiben Sie zu Hause und vermeiden Sie unnötige Bewegungen“, raten Botschaften von Großbritannien bis Uganda ihren Staatsbürgern. „Ich höre ständig schweres Gewehrfeuer“, twittert ein Augenzeuge, „sie schießen direkt vor meinem Haus“, ein anderer. Ein Radiosender berichtet: „Zivilisten versuchen, das Krankenhaus zu erreichen, aber alle Straßen sind gesperrt, und die Menschen werden zurückgeschickt.“
Das war die Lage in Südsudans Hauptstadt Juba am Montag, als sich schwere Kämpfe zwischen rivalisierenden Militäreinheiten, die in der Nacht begonnen hatten, in immer neue Stadtviertel ausbreiteten. Die Hauptstadt des jüngsten unabhängigen Staates der Welt ist wieder Kriegsgebiet. Die regierende Exguerilla SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) ist dabei, sich zu zerfleischen.
Im Machtkampf im Südsudan stehen sich im Wesentlichen Präsident Salva Kiir und sein früherer Vize Riek Machar gegenüber. Kiir kommt von der in der SPLM tonangebenden Volksgruppe der Dinka, Machar aus dem Nuer-Volk. Beide hatten schon während des jahrzehntelangen Befreiungskrieges zuweilen gegeneinander gekämpft, aber ihre Versöhnung garantierte Stabilität, als Südsudan 2005 autonom und 2011 unabhängig wurde.
Eklat beim SPLM-Vorstandstreffen
Im Juli dieses Jahres allerdings setzte Kiir seinen Vize ab, und seitdem brodelt es in Juba. Einem Bericht zufolge kam es am Sonntag auf einem mehrfach verschobenen SPLM-Vorstandstreffen zum Eklat: Riek Machar, der ebenfalls im Juli abgesetzte ehemalige SPLM-Generalsekretär Pagan Amun sowie Rebecca Garang, Witwe des historischen toten SPLA-Chfs John Garang, hätten das Treffen nach einem Streit mit dem Kiir-Flügel verlassen, woraufhin Machar-treue Gardisten den Präsidentenpalast beschossen hätten.
Einem anderen Bericht zufolge soll Kiir nach diesem Eklat seine Präsidialgarde angewiesen haben, Machar zu verhaften. Der Gardechef habe vorher die Nicht-Dinka-Gardisten entwaffnen wollen, und als diese sich weigerten, seien Kämpfe ausgebrochen.
Die Machar-treuen Kämpfer wurden aus der Gardekaserne vertrieben und verschanzten sich in anderen Stadtvierteln, wo sie sich am Montag Gefechte mit Kiir-treuen Truppen lieferten.
Salva Kiir sucht nun offenbar die Entscheidung. Am Montag vormittag trat Salva Kiir vor die Kameras und vor die Presse – in Miltiäruniform, zum ersten Mal seit Ende des Befreiungskrieges 2005 – und sprach von „kriminellen Handlungen einer unzufriedenen Gruppe“, die „Angst und Verwirrung“ stifte. Später wurden vier Minister verhaftet, darunter der mächtige ehemalige Sicherheitsminister Oyai Deng Ajak. Das Schicksal Riek Machars blieb unbekannt.
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