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Machtkampf beim NachrichtenmagazinAufruhr beim „Spiegel“

Die Gerüchteküche brodelt: Es soll ein Machtkampf zwischen Chefredaktion und Geschäftsführung toben. Steht Chef Klusmann vor dem Aus?

„Sagen, was ist“: Steffen Klusmann, seit 2019 Chefredakteur Foto: Christian Charisius/dpa

Der Spiegel sollte eigentlich Nachrichten melden, nicht selber zum Objekt von Schlagzeilen werden. Doch wie schon so oft in seiner Geschichte liefern interne Machtkämpfe um die Chefredaktion des Hamburger Nachrichtenmagazins Stoff für Berichterstattung. Wie mehrere Medien unabhängig voneinander berichten, soll Chefredakteur Steffen Klusmann an einer Themenkonferenz am Mittwochmorgen eine Rede gehalten haben, die von vielen Teilnehmern der Konferenz als Abschied verstanden wurde.

Sofort landete die Nachricht bei Business Insider und dem Branchendienst DWDL, die reißerisch titelten: „Klusmann steht kurz vor Ablösung“ und „Chefredakteur vor dem Aus“. Doch so klar, wie diese Headlines suggerieren, scheint die Sache nicht zu sein. Auf Nachfrage von Redakteuren bei der Konferenz, ob Klusmann abtrete, gaben Klusmann und die ebenfalls anwesenden anderen Mitglieder der Chefredaktion verneinende Antworten.

Wenn man sich im Haus umhört, sind viele konsterniert über die sich schnell drehende Gerüchtemaschinerie. Bereits Mittwoch meldete der Medienbranchendienst Turi2, dass der Journalist Dirk Kurbjuweit aus dem Hauptstadtbüro des Spiegels als Nachfolger von Klusmann gehandelt werde. Sogar Vertragsverhandlungen zur Übernahme des Chefredakteurspostens liefen bereits, behauptet Turi2. Auf Nachfrage des Dienstes ließ der besagte Kurbjuweit nur wissen, dazu könne er nichts sagen. Kurb­juweit war schon bei früheren Gelegenheiten als potenzieller Chefredakteur gehandelt worden.

Der taz sagte die Pressesprecherin des Spiegels auf die Anfrage, wie es sich mit dem Wahrheitsgehalt der Meldungen verhalte: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Gerüchte grundsätzlich nicht kommentieren.“

Mehr als 40 Millionen Euro Gewinn

Der Konferenz von Mittwoch war am Dienstag die jährlich stattfindende Sitzung der Mitarbeiter KG vorausgegangen. Bei dieser werden Geschäftszahlen und Höhe der Ausschüttung an die Mitglieder verkündet. Wieder ein Rekordergebnis: Über 40 Millionen Gewinn. Diese Organisationsform ist ein Unikum des Spiegels – und immer mehr Stein des Anstoßes im Haus.

Die Kommanditgesellschaft hält 50,5 Prozent der Anteile an der Spiegel-Gruppe. In ihr sind die Angestellten organisiert – jedoch nicht alle. Wer bei Spiegel Online arbeitet, ist nicht automatisch in der KG. Seit Online und Print 2019 zumindest inhaltlich zusammengelegt wurden, sind alle neue Stellen bei Online angesiedelt. Erst nach einigen Jahren kann man aufgenommen werden, bis dahin gibt es weder Mitsprache noch eine Gewinnbeteiligung.

Am Dienstag soll die Geschäftsleitung der KG scharfe Kritik an Klusmann geäußert haben, in einer Form, die von vielen als für den Spiegel ungewöhnlich gewertet wurde. Die Geschäftsführung der KG wird alle drei Jahre von den Mitgliedern gewählt, doch danach gibt es wenig demokratische Kontrolle. Die scharfe Kritik soll einige Mitglieder der KG nun gegen ihre Geschäftsleitung aufgebracht haben, so Stimmen aus dem Haus.

Inhaltlich soll es um ein von Klusmann verschlepptes Digitalkonzept gehen, dass jedoch nach Informationen verschiedener Medien eigentlich vorliegt. Bereits seit Monaten soll es zwischen Klusmann und dem Geschäftsführer der Spiegel-Gruppe, Stefan Ottlitz, zu Spannungen gekommen sein. Klusmann kämpft also an zwei Fronten.

Unbefriedigend und ausweichend

So ist es auch zu verstehen, dass Klusmann am Mittwoch dann in die Offensive ging. Nach der Konferenz, in der die Belegschaft ihrem Chefredakteur den Rücken gestärkt haben soll, verlangten Mitglieder der KG eine Aussprache mit der Geschäftsleitung. Stefan Ottlitz, Leiter der Produktentwicklung, soll sich geweigert haben teilzunehmen. Zwei Vertreter beantworteten aber Mittwochnachmittag Fragen zum Konflikt und zu den Gerüchten über Klusmanns Abgang – jedoch dem Vernehmen nach für viele unbefriedigend und ausweichend.

Mittwoch setzten dann mehrere Ressortleiter einen offenen Brief auf, in dem sie sich gegen den möglichen Rauswurf Klusmanns wehren. Der Brief zirkulierte bis Donnerstagmorgen zur Unterschrift unter der Belegschaft. Business Insider veröffentliche den Brief bereits Mittwoch. Darin heißt es: „Wir Unterzeichnenden sind erschüttert über die jüngsten Entwicklungen im Haus.“ Und weiter: „Es ist für uns nicht ersichtlich, warum nun womöglich erneut ein Chefredakteur gehen soll.“ Der Ausgang des Machtkampfs ist also noch offen.

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