Machtkampf bei irakischen Kurden: Probe aufs Exempel
Die Amtszeit von Präsident Barsani ist abgelaufen. Die Opposition verlangt eine Neuwahl. Der Konflikt könnte zur Spaltung des Landes führen.
Barsanis Amtszeit als Regionalpräsident ist am Donnerstag abgelaufen. Der 69-Jährige besteht jedoch auf einer Verlängerung, und laut seiner Partei, der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), ist er weiterhin im Amt. Barzanis Gegner sind dagegen der Auffassung, dass Parlamentssprecher Yussuf Mohammed interimistisch den Posten übernimmt, bis in sechzig Tagen Neuwahlen abgehalten werden.
Die USA haben bereits Brett McGurk, den stellvertretenden Sondergesandten im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), nach Erbil entsandt, um in der Krise zu vermitteln. In gleicher Mission schickten die Iraner kürzlich General Kassem Soleimani, Teherans Mann gegen den IS, nach Kurdistan.
Für Washington wie Teheran sind die Kurden ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Extremisten. Die gemeinsame Grenze zwischen Kurdistan und dem IS ist mehr als 1.000 Kilometer lang und sie reicht von der Grenze mit Iran ganz im Osten bis zur irakisch-syrischen Grenze im Westen.
Spaltung bis zum Bürgerkrieg
Bei dem Streit geht es im Kern um die Frage, ob Kurdistan eine parlamentarische oder präsidiale Demokratie werden soll. Auf der einen Seite stehen dabei Barzani und seine KDP, auf der anderen seine vier Koalitionspartner – Goran, die Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und zwei islamische Parteien. Vor allem Goran, die seit der Wahl 2013 zweitstärkste Fraktion im kurdischen Parlament ist, hat sich dabei zum Vorreiter einer parlamentarischen Demokratie gemacht. Die erst 2009 gegründete Bewegung Goran steht dabei auch ihren Wählern gegenüber im Wort, alte Zöpfe in Kurdistan abzuschneiden und alle wichtigen Entscheidungen aus den politischen Hinterzimmern ins Parlament zu holen.
Die Rechtslage ist freilich unklar. Barsani ist seit 2005 Präsident des Regionalstaats. Gemäß der kurdischen Verfassung stehen dem Präsidenten zwei Amtszeiten von jeweils vier Jahren zu. Die Verfassung wurde jedoch nicht verabschiedet, und da sich die Parteien nicht auf eine neue einigen konnten, billigten sie Barzani vor zwei Jahren eine einmalige Verlängerung von 24 Monaten zu.
Mittlerweile gibt es aber einen neuen Entwurf. Die KDP lehnt ihn ab, weil er die Wahl des Präsidenten durch das Parlament vorsieht und seine Autorität stark beschneidet. Als die Parlamentarier am vergangenen Mittwoch abstimmten, verpassten die Barsani-Gegnern die nötige Mehrheit um ganze drei Stimmen.
Der Konflikt ist deshalb so heikel, weil der gesamte Sicherheitsapparat in Kurdistan unter der Kontrolle der Parteien steht und entweder von der KDP oder der PUK kontrolliert wird. Sollten die Rivalen keine Lösung finden, könnte Kurdistan bald schon wieder so gespalten sein wie während des Bürgerkriegs vor zwanzig Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“