Machtkampf bei den Saarlinken: Lafontaines Einfluss schwindet
Bei den Wahlkreislisten der Linkspartei im Saarland setzt sich der umstrittene Landesvorsitzende Lutze durch. Streit gibt es dennoch.
83 Stimmen, bei gerade mal zwei Nein-Stimmen. Mit 98 Prozent triumphiert die Landtagsabgeordnete, die ihr Chef Oskar Lafontaine und die Mehrheit der Landtagsfraktion aus der Fraktion ausschließen wollen, wegen Illoyalität gegenüber der Fraktionsspitze.
„Nach der ein oder anderen Schlagzeile der letzten Woche“ sei das doch ein deutliches Zeichen, freut sich Lutze. Diese Bemerkung bleibt der einzige Seitenhieb gegen seinen Widersacher und früheren Chef an diesem Sonntag. Längst ist „Oskar“ bei den Versammlungen der von ihm gegründeten Partei der weiße Elefant im Raum, der wegbleibt, dessen Name nicht fällt und über den nicht gesprochen wird.
Mit der Wahl ist der erbitterte Machtkampf der Saar-Linken indes entschieden. In allen drei saarländischen Landtagswahlkreisen konnten sich auf den vorderen Plätzen ausschließlich KandidatInnen durchsetzen, die mit Lutze kooperieren. Zwar ist damit kein Generationswechsel verbunden; vier der sechs aussichtsreichen KandidatInnen sind 60 Jahre alt oder älter. Lafontaines verbliebene MitstreiterInnen aus der Fraktion sind aber entweder bei den Abstimmungen gescheitert oder gar nicht erst angetreten.
Überwiegend Männer über 60
Rund 90 GenossInnen aus den drei Landkreisen, die den Wahlkreis Neunkirchen bilden, verlieren sich an diesem trüben Oktobertag in der Sporthalle, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Die Mehrheit ist männlich und 60 plus. Man hält gebührend Abstand. Dennoch wird nur ein Drittel der Fläche gebraucht.
Gleichwohl hatte Versammlungsleiter Lutze im Vorfeld die Parteiöffentlichkeit ausgesetzt, „wegen Corona“. Nur stimmberechtigte Mitglieder dürfen dabei sein. Auch JournalistInnen mochte Lutze eigentlich nicht sehen. Auf die taz-Anfrage nach Ort und Zeitpunkt der Wahlversammlungen schrieb er in der letzten Woche: „Ob wir diese Termine überhaupt öffentlich machen, entscheiden wir kurzfristig anhand der Infektionszahlen zu Covid-19.“
Bei der Versammlung im Wahlkreis Saarlouis war es zu Rangeleien gekommen, weil Neumitglieder mitwählen wollten. „Es gibt im Saarland zahlreiche Neueintritte und eine ungewöhnlich hohe Zahl von Widersprüchen gegen neue Mitgliedschaften“, schreibt dazu die Bundespartei der taz und fügt an: „Wir verfolgen letzteres kritisch, da der Widerspruch gegen einen Parteieintritt bei uns mit einer hohen Hürde verbunden ist“. Am Ende müssten Parteischiedsgerichte entscheiden, ob diesmal alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Da bleiben sich die Saar-Linken treu. Wie in der Vergangenheit gibt es auch diesmal Streit über Stimmberechtigungen und Mitgliederlisten. Unter der verwaisten Tribüne der Sporthalle hängt ein Linken-Banner: „SOLIDARITÄT, elf Buchstaben, alle groß geschrieben.“ Doch diese Botschaft gilt im bislang erfolgreichsten Linken-Verband im Westen nur innerhalb der verfeindeten Clans um Lutze und Lafontaine.
Neue Liste für Enttäuschte
Gegen Lutze ermittelt nach wie vor die Staatsanwaltschaft. Er soll vor seiner Wahl zum Bundestagskandidaten 2017 Stimmen gekauft und Mitgliederlisten manipuliert haben, so die Strafanzeige der früheren Landesvorsitzenden Astrid Schramm. Ermittelt wird wegen angeblich gefälschten Beitragsquittungen und unberechtigten Geldzuwendungen aus dem Etat des Bundestages.
Wegen dieser Vorwürfe hatte Lafontaine aufgerufen, Lutze und damit den Linken im Saarland die Stimme zu verweigern. Nach dessen Wiedereinzug in den Bundestag erklärte Lafontaine seinen Verzicht auf eine erneute Landtagskandidatur, weil „sich die Manipulation und der damit verbundene Betrug zur Erringung von Mandaten fortsetzen werden“. Das Ergebnis der Listenaufstellungen wollte er am Sonntag nicht kommentieren.
Im Saarland formiert sich gerade eine neue Liste „Bunt.Saar“. Von Linken und Grünen enttäuschte SaarländerInnen wollen bei der Landtagswahl im März antreten. Linken-Parteikreise diskutieren längst, ob Lafontaine oder seine MitstreiterInnen sich vielleicht dort engagieren könnten. Der weiße Elefant bleibt also im Raum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebungen syrischer Geflüchteter
Autokorsos und Abschiebefantasien
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Sturz des Syrien-Regimes
Dank an Netanjahu?
Nach dem Sturz von Assad in Syrien
Türkei verkündet Erfolg gegen syrische Kurden