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Macht und VerantwortungNicht alle Frauen sind immer Opfer

Diskriminierung ist ein Fakt – doch schauen wir diese Woche mal auf Frauen, die Macht und Geld haben: Marlene Engelhorn und Shermin Langhoff.

Will 90 Prozent ihres Vermögens spenden: Marlene Engelhorn bei ihrem Interview im ORF Foto: Youtube/orf/screenshot taz

W eil das eine feministische Wirtschaftskolumne ist, geht es hier meistens um ökonomische Dinge, bei denen Frauen schlecht wegkommen. Hier wird sich oft beschwert, völlig zu Recht, weil Frauen immer noch Diskriminierung erleben, besonders, wenn es um Macht und Geld geht.

Dabei sind natürlich nicht alle Frauen ohne Macht und Geld, arme Opfer, ihrem Schicksal ausgeliefert. Schauen wir diese Woche also auf Frauen, denen es an beidem nicht mangelt. Weil Feminismus deutlich mehr ist, als Frauen in die Opferrolle zu drängen – was mir immer noch Leute erzählen, aber das sind auch oft die, die „der Identitätspolitik“ kritisch gegenüberstehen.

In Österreich hat gerade Marlene Engelhorn von sich reden gemacht. Die 28-Jährige wird von ihrer Großmutter, Witwe eines Gesellschafters eines Pharmaunternehmens, einmal viele Millionen erben. Und trotzdem sagte Marlene Engelhorn im Interview mit der Zeitung Der Standard, dass „in Österreich Vermögen und damit Macht und Lebenschancen wahnsinnig ungerecht verteilt sind.“

Sie hat angekündigt, 90 Prozent ihres Vermögens spenden zu wollen. Und kämpft mit den „Millionaires for Humanity“ dafür, dass hohe Vermögen und Einkommen stärker besteuert werden, weil sie einen „Beitrag für den Wiederaufbau“ nach der Pandemie leisten möchten. Auf freiwilliges Engagement hoffen, wenn es darum geht, dass Menschen ihr Geld abgeben, hat eben selten funktioniert.

Klima der Angst

Eine andere Frage, wenn wir über Macht und Geld sprechen, ist die, wie Macht ausgeübt wird, vor allem in Hierarchien. Während Marlene Engelhorn das positive Beispiel der Woche war, war Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters in Berlin, das negative.

Der Spiegel hat 15 Mit­ar­bei­te­r:in­nen gesprochen, die Langhoff Machtmissbrauch vorwerfen. Sie erschaffe ein „Klima der Angst“, brülle regelmäßig Menschen an und werde auch körperlich übergriffig. Die Theaterkritikerin Barbara Behrendt sagte Deutschlandfunk Kultur, der Fall zeige, „dass Machtmissbrauch und körperliche Grenzüberschreitungen eben nichts sind, was nur Männer begehen“.

Beide Fälle zeigen, dass Feminismus auch in Bezug auf Ökonomie nur Sinn ergibt, wenn er sich nicht auf Geschlecht beschränkt, sondern weitere Dimensionen von Diskriminierung und Unterdrückung mitdenkt.

Wenn Frauen, die zu Macht und Geld gekommen sind, verantwortungsvoll handeln: Wenn sie andere Frauen fördern, aber sich nicht auf die Geschlechtsdimension beschränken oder diese sogar vorschieben, um sich mit anderen Dingen nicht auseinandersetzen zu müssen. Dingen, bei denen sie vielleicht die sind, die ihr Verhalten ändern sollten. Und wenn Strukturen so umgebaut werden, dass reiche Frauen Geld abgeben müssen und Macht verteilt wird, weil das Machtmissbrauch unwahrscheinlicher macht. Denn nur überall ein paar Frauen mehr wird an vielen Verhältnissen noch lange nichts ändern.

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Susan Djahangard
Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.
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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das stimmt. Das Buch "White Feminism" der Journalistin Koa Beck zeigt eindrücklich auf, wie weiße Frauen der Mittel- und Oberklasse den feministischen Diskurs bestimmen und alles, was sie selbst nicht interessiert, zum "Nischenthema" deklarieren.

    Arme Mütter können ihren Kindern ab dem 22. jeden Monats kein Frühstück mehr auf den Tisch stellen? Putzfrauen in Privathaushalten arbeiten ohne Sozialversicherung? Ihre Auftraggeberinnen interessieren sich so sehr für ihre Belange wie Männer der 1950er für die ihrer Ehefrauen? Frauen of Color können sich in ihrem Job kaum vor Corona schützen? Wen interessiert das schon?

    Aber: Weiße Frauen der Mittel- und Oberklasse leiden unter dem Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling? Ganz wichtig! Das muss in vielen Artikeln lang und breit erörtert werden.

  • "wenn er [Feminismus] sich nicht auf Geschlecht beschränkt, sondern weitere Dimensionen von Diskriminierung und Unterdrückung mitdenkt."

    Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, Frau Djahangard!

    Vergessen wir nicht: Soziale Phänomene sind in aller Regel nicht eindimensional, sondern vieldimensional, sie sind nicht monokausal - nur durch einen Faktor - bedingt, sondern durch ein Bündel von Faktoren - multikausal.

    Dies gilt für soziale Phänomene wie Disparitäten in gesellschaftlichen Positionen, aber auch z.B. für Mordanschläge - ja, auch für den Fall der Tötung eines Menschen durch die Polizei.

    Immer schon vor jeder konkreten Untersuchung zu wissen, daß 'Sexismus' oder 'Rassismus' die Ursache einer Disparität oder eines Mordes ist, ist unwissenschaftlich.

    Es ist nicht zutreffend, daß 'Disparität' per se Beweis von sexistischer Diskriminierung ist, es ist ebenso wenig zutreffend, daß die Tötung eines schwarzen Menschen per se Beweis von 'Rassismus' ist.

    Immer ist der konkrete Fall in seiner (potentiellen und sehr wahrscheinlichen) Vieldimensionalität zu untersuchen. 'Sexismus' oder 'Rassismus' können im Spiel sein, müssen es aber nicht. Und wo sie im Spiel sind, ist stets zu fragen, welchen Anteil sie im gesamten Faktorenbündel haben: 90 %, 50 %, 20%, 5 %.

    Unterkomplexe Diagnose führt zu unterkomplexer Therapie.

    Hierarchische (Macht)strukturen bergen immer das Potential des Machtmißbrauchs - und es gibt in der Tat keinen Grund anzunehmen, daß Frauen dagegen immun sind. Und wenn Frauen der Verlockung des Machtmißbrauchs verfallen, sagen wir nicht, sie tun das, weil sie Frauen sind.

    Und solange es Hierarchien gibt, läßt sich das nicht völlig vermeiden. Hierarchien können evtl. 'flacher' gemacht werden, ganz ohne wird es jedoch nie gehen.

    Sofern Hierarchien auf Kompetenz beruhen, sind sie sinnvoll. Der Unterschied ist wichtig. In der Wahrnehmung mancher Menschen mag allein die 'Ausübung' von Kompetenz als Macht(mißbrauch) erscheinen.